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Management & Strategien | 11.07.2019

Stressfreie Küchen für viele Gäste

Fotostrecke Mise en place Stefan Cammann stressfreie Küchen viele Gäste Stefan Cammann hat viel vor: „Dieses Jahr werden wir noch rund 30 Projekte realisieren. Wir werden nächstes Jahr die 50er-Marke knacken. Und für 2021 haben wir uns das ambitionierte Ziel von 100 Projekten gesetzt.“ / Foto: Mise en place

Auf Fachkräftemangel, Kostendruck, Stress und schwankende Speisequalitäten antworten Stefan Cammann und sein Team von Mise en place in Duisburg mit ihrem R2M-System, das all dem entgegenwirken soll.

Stefan Cammann hat sich auf die Agenda geschrieben, die Gastronomiewelt zu verändern. Der gelernte Koch und Fleischer ist bekannt aus TV-Formaten wie „Mein Lokal, Dein Lokal“ von Kabel 1, in dem er 2014 mit seiner „Faktorei“ die Ruhrgebietsausgabe gewann. Seine Mitstreiter um den Wochensieg der Sendung staunten damals nicht schlecht, als sie die Küche des Restaurants betraten und vergeblich Fritteuse, Kipper, Kessel oder Herdblock suchten. Lediglich ein Mitarbeiter, mehrere Kombidämpfer und ein Schnellkühler begrüßten die vier neugierigen Gastro-Kollegen, die schnell dahinterkamen, dass hier völlig anders gearbeitet wird.

„Sehr fortschrittlich“, lobte einer der Konkurrenten um den Sieg direkt und merkte an: „Viele der Gastronomen wehren sich ja dagegen, weil es etwas Neues ist und Veränderungen nicht so gerne gewünscht sind.“ Damit fasste er genau das zusammen, was Cammann schon jahrelang umtreibt und wogegen er mit seinem innovativen Küchensystem steuern will.

Herr Cammann, wie ist Ihr Konzept entstanden?

Ich setze das Konzept seit 18 Jahren in meiner Faktorei selbst um. Als ich mich 2001 kurzerhand selbstständig gemacht habe, war mir bewusst, dass Personal eine kritische Größe ist. Aber mir war noch etwas sehr wichtig: Ich wollte kochen KÖNNEN, aber nicht kochen MÜSSEN. Der Riesenunterschied meiner heutigen Unternehmertätigkeit zu der meiner Berufskollegen ist, dass sie jeden Tag ins Hamsterrad müssen und wenn sie mal eine halbe Stunde raus sind, läuft nix mehr. Das wollte ich nicht. Vom ersten Tag an habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich es hinbekomme, dass die von mir gewünschte Qualität auch auf den Teller kommt, wenn ich nicht da bin. Und ich habe mir die Frage gestellt, warum es so schwer ist, Leute für die Küche zu finden.

Und aus diesen Überlegungen ist dann Ihr R2M-System entstanden.

Genau. In der Regel können Sie neue Mitarbeiter, vor allem Aushilfen, nicht schnell effektiv in Küchenprozesse einbinden. Ein Beispiel: Im Restaurant bestellt ein Gast ein Rumpsteak medium. Nach dem, was ich gelernt habe und was mir alle Köche erklären würden, müsste man es scharf anbraten, so zwei bis drei Minuten von jeder Seite etc. Konditoren, Bäcker und Fleischer – und deshalb bin ich froh, dass ich meine Karriere als Fleischer begonnen habe – lernen vom ersten Tag ihrer Ausbildung an die Skalierung eines Produktes. Der Koch nicht. Sagen wir es so: Der Bäcker lernt nicht fünf Brötchen zu backen, sondern hunderte, tausende – dafür lernt er das Skalieren. Die Kochausbildung ist aufgebaut auf „Prise“, „Messerspitze“, „scharf anbraten“, usw. – das fasst jeder Mitarbeiter aber anders auf. Ich habe oft den Satz „Rezepte sind was für Apotheker“ gehört. Für mich – und ich spreche jetzt nur von mir – liegt hier das Problem und gleichzeitig der Schlüssel, um vieles zu lösen: „Mach es erstmal einfach und klar“ ist meine Devise, deshalb steht R2M für "reduce to the max". Auch in den Lehrbüchern, da steht explizit drin, wie EIN Schnitzel zubereitet wird, wie es perfekt wird. Aber wie es funktioniert, wenn ein Biergarten mit 300 Personen besetzt ist und alle wollen ein Schnitzel in derselben Qualität, steht da nicht. Damit habe ich mich viele Jahre lang intensiv auseinandergesetzt. So haben wir unser Konzept aufgebaut.

Wie hat sich dann aus der Arbeitsweise in der Faktorei das Unternehmen Mise en place entwickelt?

Was wir bei Mise en place machen, ist ja eher ein Nebenprodukt von dem, was ich im Restaurant mache. Ich habe nie vorgehabt, ein solches Unternehmen zu gründen. Es kamen aber immer mehr Berufskollegen, die mir mal zugucken wollten. Dann habe ich es ihnen gezeigt, denn ich bin da immer sehr offen mit umgegangen. „Mein Lokal, Dein Lokal“ war nicht der erste Fernsehbericht. Der erste Sender war lange vor Kabel 1 hier. Dadurch, dass wir sehr offen damit umgegangen sind, nahmen die Anfragen von denen, die mal gucken wollten, zu. Im Jahr 2005 habe ich dann mein erstes Consulting-Unternehmen gegründet – weil es mit dem Restaurant nicht mehr vereinbar war. Ich war mehr mit Terminkoordination beschäftigt. Dann haben Vortragsanfragen zugenommen, Kunden erkundigten sich nach Trainings vor Ort – so war ich als Küchenchef eines Restaurants immer mehr raus aus meinem eigentlichen Tätigkeitsfeld. Daraus entstanden immer mehr Anfragen – auch in Richtung Küchenplanung.

Haben Sie dies dann mit Partnern umgesetzt?

Natürlich wusste ich aus meiner beruflichen Expertise, welche Geräte, Prozesse und Wege in der Küche existieren und habe am Anfang mit dem jeweiligen Fachhändler des Kunden, der seine Küche umbauen wollte, versucht dies umzusetzen. Das habe ich zwei, drei Jahre gemacht, habe aber gemerkt, dass es nicht funktioniert.

Warum nicht?

Auf dieser Strecke von mir als One-Man-Trainer bis hin zur fertigen Küche wurde viel verändert, weil der Fachhändler der Meinung war, dass man doch noch das eine oder andere Gerät braucht. Am Ende hatte man dann Küchen, die halbschwanger waren. Von allem ein bisschen, aber nichts wirklich konsequent. Zudem habe ich festgestellt, dass es vieles nicht gab, was man für mein Konzept aber braucht. Zum Beispiel bei der Kühltechnik. Kühlen ist in der Gastronomie ein völlig emotionsloses Thema. Es gibt heute keine wirkliche Premiummarke im Segment der Kühltechnik. Bei den Schnellkühlern ist das etwas anders. Daraufhin kam ich zu dem Schluss, dass wir etwas Eigenes machen müssen. In den letzten Jahren ist daraufhin eine neue Firma entstanden, Mise en place. Weil ich gemerkt habe, dass hierfür die Zeit reif war.

Und wie ist es aktuell aufgestellt?

Heute haben wir drei Kernsäulen: Consulting, Technik und Food. Erstere beinhaltet alles an Wissenstransfer und Know-how, was an den Kunden geht, Trainings, Baubetreuung und Planung der Küche – damit sind wir bundesweit vertreten. Die ersten Projekte in Österreich, den Niederlanden und der Schweiz laufen gerade an. Nach der Montage der Küche sind wir mit speziellen Trainern mindestens fünf Tage beim Kunden, um diesem und seinem gesamten Team, auch den Servicemitarbeitern, alles bis ins kleinste Detail zu erklären. Denn das ist der Flaschenhals: Man kann sich heute für gutes Geld alles kaufen, aber man muss es auch richtig nutzen können. Die Servicemitarbeiter holen wir mit in die Küche, damit sie Küchen- und Arbeitsprozesse ihrer Kollegen kennenlernen und verstehen. Zum anderen könnten sie durch die Trainings im Notfall als Vertretung einspringen. Was ein riesiger Vorteil ist, falls ein Küchenmitarbeiter ausfällt.

Wie ist Ihre zweite Säule Technik aufgebaut?

Wir haben hier eine eigene Möbelserie entwickelt, als komplettes Plug-and-Play-System. Das besteht zum großen Teil aus selbst entwickelten Geräten und auf der anderen Seite aus Serien-Geräten, die wir für unsere Zwecke entsprechend modifizieren. Wir bauen beispielsweise keinen eigenen Kombidämpfer, da nehmen wir ein gutes Gerät und modifizieren es so, wie der Kunde es braucht. Beispielsweise die Steuerung. Viele Hersteller werben mit intuitiver Bedienung, meistens ist diese aber völlig überladen. Vieles erschließt sich dem Anwender nicht. Für viele Mitarbeiter ist die Technik eine Hemmschwelle und die Gefahr der Fehlbedienung sehr hoch. Wir modifizieren die Bedienoberfläche, indem wir alles, was und wie der Kunde es braucht, entsprechend einrichten und programmieren. Das kann dann so weit gehen, dass manuelle Garprogramme nur noch vom Küchenchef mit Passwort bedienbar sind. Ich habe eben erwähnt, dass wir ein Plug-and-Play-System entworfen haben. Das heißt, alles, was wir in der Küche aufstellen, hat Räder. Somit sind wir heute in der Lage, eine mittelgroße Hotelküche innerhalb von nur drei Tagen komplett fertig einsatzbereit zu haben – mit Übergabe. Bei traditionellem Küchenbau braucht man ungefähr eine Woche oder länger, bis alles montiert ist. Das ist ein großer Vorteil.

Auch hygienisch.

Das war der Ursprungsgedanke. Allerdings musste ich lernen, dass Räder ein sehr komplexes Thema sind. Es gibt beispielweise keine glatten Böden, da stand die Frage im Raum, wie man bei Unebenheiten in Böden vorgeht. Da habe ich mir gedacht, das kann ja nicht so schwer sein – nehme ich höhenverstellbare Räder. Es gab aber, als wir angefangen haben, keine höhenverstellbaren Schwerlasträder, die in diesem Bereich zugelassen waren. So haben wir begonnen, diese zu konstruieren und selber zu entwickeln – mit einem weiteren, entscheidenden Vorteil, der uns gar nicht bewusst war. Als wir einen Banker bei einem Kundengespräch dabeihatten, merkte dieser an, dass dies ja mobiles Investitionsgut sei und es dadurch anders finanzbierbar ist, weil es nicht mit dem Haus direkt verbunden wird. Bei einer klassischen Küche auf Sockeln sagte der Banker: „In dem Moment, in dem die Küche steht, sind 80 Prozent der Kohle verdampft.“ Das Geld ist weg. Bei einem Finanzierungsausfall, was wollen Sie da mit dem festinstallierten Edelstahl machen? Wir arbeiten deutschlandweit mit drei Banken zusammen, die für sich selbst darin mittlerweile ein Geschäftsmodell sehen, und sagen: „Wenn ihr es wieder zurücknehmt, aufarbeitet und dann geht das von Meier zu Müller und dann zu Schmidt, ist es ein tolles Geschäftsmodell.“ Dazu kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit. Und wir sind flexibel, wir können jederzeit einen Bestandteil aus dem Plug-and-Play-System herausnehmen und gegen ein anderes ersetzen, ohne die ganze Küche abbauen zu müssen.

Woher beziehen Sie Ihre Geräte?

Wir konstruieren sie selbst und lassen Bauteile von Partnern anfertigen, die dann in unserer Niederlassung in Harpstedt bei Bremen endmontiert werden. Von da aus geht alles an die Kunden in ganz Deutschland und wie schon erwähnt den Niederlanden, der Schweiz und Österreich. Österreich ist für uns dabei der aktuell spannendste Markt, da hier ein sehr hoher Leidensdruck in der Branche herrscht. Auch in der Schweiz bahnen sich gerade die ersten Projekte an.

Und die dritte Säule Food?

Auch diese wurde von den Kunden an uns herangetragen und wir haben uns damit auseinandergesetzt. Wir haben heute ein Alleinstellungsmerkmal bei den Convenience-Produkten unserer rund zwölf Produzenten in Deutschland, den Niederlanden und Österreich: Bei bekannten Produzenten ist es so, dass man verschiedene Geräte, mal ein Wasserbad, mal den Salamander, usw. benötigt. Sprich: Man braucht viele Geräte, da verschiedene Garprozesse und Regenerierzeiten abgedeckt werden müssen. Die verschiedenen Zeiten und Garmethoden spielen sich bei uns aber bereits in der Produktion ab – nicht beim Kunden! Er bekommt von uns Produkte, die allesamt im gleichen Garmedium und mit der gleichen Zeit regeneriert werden können. Das heißt, dass das Gemüse bei uns acht Minuten aushält, während das Lammkarree nach acht Minuten auf den Punkt fertig ist. So haben wir erstmals eine Food-Linie aufbauen können, die gezielt für die reine Teller-Regeneration ausgelegt ist. Das geht natürlich auch im GN-Behälter, aber der Fokus liegt klar auf dem Teller. Das ist unsere dritte Säule, die wir aber nicht aktiv nach außen kommunizieren.

Weshalb?

Convenience ist wie das Rotlicht-Viertel. Jeder weiß, dass es eines gibt, aber niemand gibt zu, jemals dort gewesen zu sein. Ich bin mir sicher, dass jeder normale Gastronomiebetrieb – ich rede nicht von der Sternegastronomie – Convenience, egal welcher Couleur, einsetzt. Wenn jemand sagt, er mache alles frisch, dann ist das schlichtweg gelogen. Das ist völlig abseits jeder Realität. Ich bin selber Koch und Fleischer, ich könnte in meiner Küche ein Schwein zerlegen oder sogar noch schlachten. Das Wissen ist da, aber ich muss mir überlegen: Wie gehe ich mit meinen Ressourcen um – mit Personal, Zeit, Platz und Maschinen. Zudem muss ich darüber nachdenken, mit welchen Werkzeugen schaffe ich es als Unternehmen im Rahmen meiner Möglichkeiten, den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten. Und das fängt damit an, sich völlig emotionslos Gedanken darüber zu machen, was man in seiner Küche alles machen kann – nicht nur vom Wissen her. Da muss man zu einer sehr nüchternen Betrachtung kommen. Um beim Fleisch zu bleiben: Bis auf wenige Ausnahmen kaufen wir für die Faktorei nur nach unseren Vorgaben portioniertes Fleisch. Nicht weil wir faul sind, sondern weil es keinen Sinn ergibt, einen Mitarbeiter mit der Aufgabe Fleisch zu schneiden zu betrauen. In der Zeit kann dieser etwas machen, was für den Betrieb viel wertvoller ist. Wir gehen mit dem Thema Convenience deshalb sehr offen um. Als Koch habe ich auch etwas lernen müssen: Der Gast im Restaurant entscheidet nur zwischen gut und schlecht. Mich hat noch nie ein Gast bei der Tischreservierung gefragt, ob ich eine Fritteuse und wie viele Gasflammen ich habe. Das interessiert Gäste gar nicht.

Und bei Ihren Kunden?

Im Rahmen eines Projektes zeigen wir dem Kunden, was möglich ist. Viel Ablehnung hat in der Regel mit viel Unwissenheit zu tun. Auch bei Convenience. Man muss sich hinterfragen und erkennen, was man im eigenen Betrieb überhaupt gut umsetzen kann. Wir verkaufen unsere Food-Produkte ausschließlich an unsere Projekt-Kunden, bei denen wir das System umgestellt haben, da diese genau darauf zugeschnitten sind. Das fängt schon bei der Verpackung an: Wir liefern in 1/2 GN aus. Das passt dann eins zu eins in unsere speziellen Kühltische. Wir haben darin Auftaufunktionen, die auf die Food-Produkte abgestimmt sind. Vorbereitete Food-Produkte werden ein wichtiger Schlüssel sein, um Küchen retten zu können – in allen Richtungen.

Bei dem von Ihnen angestrebten Wachstum ist das Personal wahrscheinlich auch eine wichtige Stellschraube.

Natürlich. Aktuell haben wir in Duisburg acht und in unserer Niederlassung in Harpstedt sieben Angestellte. Zwei Mitarbeiterbereiche bauen wir aktuell massiv aus: Vertrieb und Training. Zurzeit haben wir drei Trainer und zwei Freelancer in diesem Bereich. Aber das ist der Flaschenhals und da müssen wir ausbauen. Das Training kann man nicht auf einen Tag einstampfen, das funktioniert nicht. Wir bauen nicht einfach die Küche auf und sind dann weg. Hier gehen wir ein ganzes Stück weiter und übernehmen die Verantwortung, dass es betriebswirtschaftlich und kulinarisch funktioniert, so wie wir es mit dem Kunden be- und ihm vor allem auch versprochen haben. Wir sehen uns noch ein bisschen als Start-Up und leben nicht von zufriedenen Kunden, sondern von begeisterten Kunden. Darum lassen wir auch unsere Kunden auf unserer Website sprechen. Und das sehr offen, manche sagen nicht selten, dass die Umstellung zwar sehr anstrengend, aber eben auch erfolgreich war.

www.miseenplace24.com


Das Interview mit Stefan Cammann von unserer Redakteurin Yvonne Ludwig-Alfers erschien zunächst in gastrotel 3-2019.


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Lediglich ein Mitarbeiter, mehrere Kombidämpfer und ein Schnellkühler begrüßten die vier neugierigen Gastro-Kollegen, die schnell dahinterkamen, dass hier völlig anders gearbeitet wird.„Sehr fortschrittlich“, lobte einer der Konkurrenten um den Sieg direkt und merkte an: „Viele der Gastronomen wehren sich ja dagegen, weil es etwas Neues ist und Veränderungen nicht so gerne gewünscht sind.“ Damit fasste er genau das zusammen, was Cammann schon jahrelang umtreibt und wogegen er mit seinem innovativen Küchensystem steuern will.Herr Cammann, wie ist Ihr Konzept entstanden?Ich setze das Konzept seit 18 Jahren in meiner Faktorei selbst um. Als ich mich 2001 kurzerhand selbstständig gemacht habe, war mir bewusst, dass Personal eine kritische Größe ist. Aber mir war noch etwas sehr wichtig: Ich wollte kochen KÖNNEN, aber nicht kochen MÜSSEN. Der Riesenunterschied meiner heutigen Unternehmertätigkeit zu der meiner Berufskollegen ist, dass sie jeden Tag ins Hamsterrad müssen und wenn sie mal eine halbe Stunde raus sind, läuft nix mehr. Das wollte ich nicht. Vom ersten Tag an habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich es hinbekomme, dass die von mir gewünschte Qualität auch auf den Teller kommt, wenn ich nicht da bin. Und ich habe mir die Frage gestellt, warum es so schwer ist, Leute für die Küche zu finden.Und aus diesen Überlegungen ist dann Ihr R2M-System entstanden.Genau. In der Regel können Sie neue Mitarbeiter, vor allem Aushilfen, nicht schnell effektiv in Küchenprozesse einbinden. Ein Beispiel: Im Restaurant bestellt ein Gast ein Rumpsteak medium. Nach dem, was ich gelernt habe und was mir alle Köche erklären würden, müsste man es scharf anbraten, so zwei bis drei Minuten von jeder Seite etc. Konditoren, Bäcker und Fleischer – und deshalb bin ich froh, dass ich meine Karriere als Fleischer begonnen habe – lernen vom ersten Tag ihrer Ausbildung an die Skalierung eines Produktes. Der Koch nicht. Sagen wir es so: Der Bäcker lernt nicht fünf Brötchen zu backen, sondern hunderte, tausende – dafür lernt er das Skalieren. Die Kochausbildung ist aufgebaut auf „Prise“, „Messerspitze“, „scharf anbraten“, usw. – das fasst jeder Mitarbeiter aber anders auf. Ich habe oft den Satz „Rezepte sind was für Apotheker“ gehört. Für mich – und ich spreche jetzt nur von mir – liegt hier das Problem und gleichzeitig der Schlüssel, um vieles zu lösen: „Mach es erstmal einfach und klar“ ist meine Devise, deshalb steht R2M für "reduce to the max". Auch in den Lehrbüchern, da steht explizit drin, wie EIN Schnitzel zubereitet wird, wie es perfekt wird. Aber wie es funktioniert, wenn ein Biergarten mit 300 Personen besetzt ist und alle wollen ein Schnitzel in derselben Qualität, steht da nicht. Damit habe ich mich viele Jahre lang intensiv auseinandergesetzt. So haben wir unser Konzept aufgebaut.Wie hat sich dann aus der Arbeitsweise in der Faktorei das Unternehmen Mise en place entwickelt?Was wir bei Mise en place machen, ist ja eher ein Nebenprodukt von dem, was ich im Restaurant mache. Ich habe nie vorgehabt, ein solches Unternehmen zu gründen. Es kamen aber immer mehr Berufskollegen, die mir mal zugucken wollten. Dann habe ich es ihnen gezeigt, denn ich bin da immer sehr offen mit umgegangen. „Mein Lokal, Dein Lokal“ war nicht der erste Fernsehbericht. Der erste Sender war lange vor Kabel 1 hier. Dadurch, dass wir sehr offen damit umgegangen sind, nahmen die Anfragen von denen, die mal gucken wollten, zu. Im Jahr 2005 habe ich dann mein erstes Consulting-Unternehmen gegründet – weil es mit dem Restaurant nicht mehr vereinbar war. Ich war mehr mit Terminkoordination beschäftigt. Dann haben Vortragsanfragen zugenommen, Kunden erkundigten sich nach Trainings vor Ort – so war ich als Küchenchef eines Restaurants immer mehr raus aus meinem eigentlichen Tätigkeitsfeld. Daraus entstanden immer mehr Anfragen – auch in Richtung Küchenplanung.Haben Sie dies dann mit Partnern umgesetzt?Natürlich wusste ich aus meiner beruflichen Expertise, welche Geräte, Prozesse und Wege in der Küche existieren und habe am Anfang mit dem jeweiligen Fachhändler des Kunden, der seine Küche umbauen wollte, versucht dies umzusetzen. Das habe ich zwei, drei Jahre gemacht, habe aber gemerkt, dass es nicht funktioniert.Warum nicht?Auf dieser Strecke von mir als One-Man-Trainer bis hin zur fertigen Küche wurde viel verändert, weil der Fachhändler der Meinung war, dass man doch noch das eine oder andere Gerät braucht. Am Ende hatte man dann Küchen, die halbschwanger waren. Von allem ein bisschen, aber nichts wirklich konsequent. Zudem habe ich festgestellt, dass es vieles nicht gab, was man für mein Konzept aber braucht. Zum Beispiel bei der Kühltechnik. Kühlen ist in der Gastronomie ein völlig emotionsloses Thema. Es gibt heute keine wirkliche Premiummarke im Segment der Kühltechnik. Bei den Schnellkühlern ist das etwas anders. Daraufhin kam ich zu dem Schluss, dass wir etwas Eigenes machen müssen. In den letzten Jahren ist daraufhin eine neue Firma entstanden, Mise en place. Weil ich gemerkt habe, dass hierfür die Zeit reif war.Und wie ist es aktuell aufgestellt?Heute haben wir drei Kernsäulen: Consulting, Technik und Food. Erstere beinhaltet alles an Wissenstransfer und Know-how, was an den Kunden geht, Trainings, Baubetreuung und Planung der Küche – damit sind wir bundesweit vertreten. Die ersten Projekte in Österreich, den Niederlanden und der Schweiz laufen gerade an. Nach der Montage der Küche sind wir mit speziellen Trainern mindestens fünf Tage beim Kunden, um diesem und seinem gesamten Team, auch den Servicemitarbeitern, alles bis ins kleinste Detail zu erklären. Denn das ist der Flaschenhals: Man kann sich heute für gutes Geld alles kaufen, aber man muss es auch richtig nutzen können. Die Servicemitarbeiter holen wir mit in die Küche, damit sie Küchen- und Arbeitsprozesse ihrer Kollegen kennenlernen und verstehen. Zum anderen könnten sie durch die Trainings im Notfall als Vertretung einspringen. Was ein riesiger Vorteil ist, falls ein Küchenmitarbeiter ausfällt.Wie ist Ihre zweite Säule Technik aufgebaut?Wir haben hier eine eigene Möbelserie entwickelt, als komplettes Plug-and-Play-System. Das besteht zum großen Teil aus selbst entwickelten Geräten und auf der anderen Seite aus Serien-Geräten, die wir für unsere Zwecke entsprechend modifizieren. Wir bauen beispielsweise keinen eigenen Kombidämpfer, da nehmen wir ein gutes Gerät und modifizieren es so, wie der Kunde es braucht. Beispielsweise die Steuerung. Viele Hersteller werben mit intuitiver Bedienung, meistens ist diese aber völlig überladen. Vieles erschließt sich dem Anwender nicht. Für viele Mitarbeiter ist die Technik eine Hemmschwelle und die Gefahr der Fehlbedienung sehr hoch. Wir modifizieren die Bedienoberfläche, indem wir alles, was und wie der Kunde es braucht, entsprechend einrichten und programmieren. Das kann dann so weit gehen, dass manuelle Garprogramme nur noch vom Küchenchef mit Passwort bedienbar sind. Ich habe eben erwähnt, dass wir ein Plug-and-Play-System entworfen haben. Das heißt, alles, was wir in der Küche aufstellen, hat Räder. Somit sind wir heute in der Lage, eine mittelgroße Hotelküche innerhalb von nur drei Tagen komplett fertig einsatzbereit zu haben – mit Übergabe. Bei traditionellem Küchenbau braucht man ungefähr eine Woche oder länger, bis alles montiert ist. Das ist ein großer Vorteil.Auch hygienisch.Das war der Ursprungsgedanke. Allerdings musste ich lernen, dass Räder ein sehr komplexes Thema sind. Es gibt beispielweise keine glatten Böden, da stand die Frage im Raum, wie man bei Unebenheiten in Böden vorgeht. Da habe ich mir gedacht, das kann ja nicht so schwer sein – nehme ich höhenverstellbare Räder. Es gab aber, als wir angefangen haben, keine höhenverstellbaren Schwerlasträder, die in diesem Bereich zugelassen waren. So haben wir begonnen, diese zu konstruieren und selber zu entwickeln – mit einem weiteren, entscheidenden Vorteil, der uns gar nicht bewusst war. Als wir einen Banker bei einem Kundengespräch dabeihatten, merkte dieser an, dass dies ja mobiles Investitionsgut sei und es dadurch anders finanzbierbar ist, weil es nicht mit dem Haus direkt verbunden wird. Bei einer klassischen Küche auf Sockeln sagte der Banker: „In dem Moment, in dem die Küche steht, sind 80 Prozent der Kohle verdampft.“ Das Geld ist weg. Bei einem Finanzierungsausfall, was wollen Sie da mit dem festinstallierten Edelstahl machen? Wir arbeiten deutschlandweit mit drei Banken zusammen, die für sich selbst darin mittlerweile ein Geschäftsmodell sehen, und sagen: „Wenn ihr es wieder zurücknehmt, aufarbeitet und dann geht das von Meier zu Müller und dann zu Schmidt, ist es ein tolles Geschäftsmodell.“ Dazu kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit. Und wir sind flexibel, wir können jederzeit einen Bestandteil aus dem Plug-and-Play-System herausnehmen und gegen ein anderes ersetzen, ohne die ganze Küche abbauen zu müssen.Woher beziehen Sie Ihre Geräte?Wir konstruieren sie selbst und lassen Bauteile von Partnern anfertigen, die dann in unserer Niederlassung in Harpstedt bei Bremen endmontiert werden. Von da aus geht alles an die Kunden in ganz Deutschland und wie schon erwähnt den Niederlanden, der Schweiz und Österreich. Österreich ist für uns dabei der aktuell spannendste Markt, da hier ein sehr hoher Leidensdruck in der Branche herrscht. Auch in der Schweiz bahnen sich gerade die ersten Projekte an.Und die dritte Säule Food?Auch diese wurde von den Kunden an uns herangetragen und wir haben uns damit auseinandergesetzt. Wir haben heute ein Alleinstellungsmerkmal bei den Convenience-Produkten unserer rund zwölf Produzenten in Deutschland, den Niederlanden und Österreich: Bei bekannten Produzenten ist es so, dass man verschiedene Geräte, mal ein Wasserbad, mal den Salamander, usw. benötigt. Sprich: Man braucht viele Geräte, da verschiedene Garprozesse und Regenerierzeiten abgedeckt werden müssen. Die verschiedenen Zeiten und Garmethoden spielen sich bei uns aber bereits in der Produktion ab – nicht beim Kunden! Er bekommt von uns Produkte, die allesamt im gleichen Garmedium und mit der gleichen Zeit regeneriert werden können. Das heißt, dass das Gemüse bei uns acht Minuten aushält, während das Lammkarree nach acht Minuten auf den Punkt fertig ist. So haben wir erstmals eine Food-Linie aufbauen können, die gezielt für die reine Teller-Regeneration ausgelegt ist. Das geht natürlich auch im GN-Behälter, aber der Fokus liegt klar auf dem Teller. Das ist unsere dritte Säule, die wir aber nicht aktiv nach außen kommunizieren.Weshalb?Convenience ist wie das Rotlicht-Viertel. Jeder weiß, dass es eines gibt, aber niemand gibt zu, jemals dort gewesen zu sein. Ich bin mir sicher, dass jeder normale Gastronomiebetrieb – ich rede nicht von der Sternegastronomie – Convenience, egal welcher Couleur, einsetzt. Wenn jemand sagt, er mache alles frisch, dann ist das schlichtweg gelogen. Das ist völlig abseits jeder Realität. Ich bin selber Koch und Fleischer, ich könnte in meiner Küche ein Schwein zerlegen oder sogar noch schlachten. Das Wissen ist da, aber ich muss mir überlegen: Wie gehe ich mit meinen Ressourcen um – mit Personal, Zeit, Platz und Maschinen. Zudem muss ich darüber nachdenken, mit welchen Werkzeugen schaffe ich es als Unternehmen im Rahmen meiner Möglichkeiten, den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten. Und das fängt damit an, sich völlig emotionslos Gedanken darüber zu machen, was man in seiner Küche alles machen kann – nicht nur vom Wissen her. Da muss man zu einer sehr nüchternen Betrachtung kommen. Um beim Fleisch zu bleiben: Bis auf wenige Ausnahmen kaufen wir für die Faktorei nur nach unseren Vorgaben portioniertes Fleisch. Nicht weil wir faul sind, sondern weil es keinen Sinn ergibt, einen Mitarbeiter mit der Aufgabe Fleisch zu schneiden zu betrauen. In der Zeit kann dieser etwas machen, was für den Betrieb viel wertvoller ist. Wir gehen mit dem Thema Convenience deshalb sehr offen um. Als Koch habe ich auch etwas lernen müssen: Der Gast im Restaurant entscheidet nur zwischen gut und schlecht. Mich hat noch nie ein Gast bei der Tischreservierung gefragt, ob ich eine Fritteuse und wie viele Gasflammen ich habe. Das interessiert Gäste gar nicht.Und bei Ihren Kunden?Im Rahmen eines Projektes zeigen wir dem Kunden, was möglich ist. Viel Ablehnung hat in der Regel mit viel Unwissenheit zu tun. Auch bei Convenience. Man muss sich hinterfragen und erkennen, was man im eigenen Betrieb überhaupt gut umsetzen kann. Wir verkaufen unsere Food-Produkte ausschließlich an unsere Projekt-Kunden, bei denen wir das System umgestellt haben, da diese genau darauf zugeschnitten sind. Das fängt schon bei der Verpackung an: Wir liefern in 1/2 GN aus. Das passt dann eins zu eins in unsere speziellen Kühltische. Wir haben darin Auftaufunktionen, die auf die Food-Produkte abgestimmt sind. Vorbereitete Food-Produkte werden ein wichtiger Schlüssel sein, um Küchen retten zu können – in allen Richtungen.Bei dem von Ihnen angestrebten Wachstum ist das Personal wahrscheinlich auch eine wichtige Stellschraube.Natürlich. Aktuell haben wir in Duisburg acht und in unserer Niederlassung in Harpstedt sieben Angestellte. Zwei Mitarbeiterbereiche bauen wir aktuell massiv aus: Vertrieb und Training. Zurzeit haben wir drei Trainer und zwei Freelancer in diesem Bereich. Aber das ist der Flaschenhals und da müssen wir ausbauen. Das Training kann man nicht auf einen Tag einstampfen, das funktioniert nicht. Wir bauen nicht einfach die Küche auf und sind dann weg. Hier gehen wir ein ganzes Stück weiter und übernehmen die Verantwortung, dass es betriebswirtschaftlich und kulinarisch funktioniert, so wie wir es mit dem Kunden be- und ihm vor allem auch versprochen haben. Wir sehen uns noch ein bisschen als Start-Up und leben nicht von zufriedenen Kunden, sondern von begeisterten Kunden. Darum lassen wir auch unsere Kunden auf unserer Website sprechen. Und das sehr offen, manche sagen nicht selten, dass die Umstellung zwar sehr anstrengend, aber eben auch erfolgreich war.www.miseenplace24.comDas Interview mit Stefan Cammann von unserer Redakteurin Yvonne Ludwig-Alfers erschien zunächst in gastrotel 3-2019.

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