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Bestenliste 2020 | 06.03.2020

Kommentar: Rankings sind out!

Die 34. gastrotel-Bestenliste, immerhin seit 1987 und damit von Beginn an festes Format unseres Fachmagazins, kommt ab diesem Jahr erstmals ohne Ranking der 1.000 besten deutschen Restaurants aus. Die Gründe erläutert Chefredakteur Peter Erik Hillenbach

Viel Arbeit war‘s immer, die bundesweit erscheinenden Guides auszuwerten und die Sterne, Hauben, Löffel, Punkte, Pfannen und Diamanten nach einem Punktesystem in ein Ranking zu übertragen. Aber es hat sich gelohnt, solange alles halbwegs nach Plan lief. In den vergangenen drei, vier Jahren franste das Prozedere jedoch an den Rändern immer mehr aus. Von den sieben Guides, die es im Laufe der drei Jahrzehnte gab, haben wir den Bertelsmann („Der große Guide“) wegen mangelnder Relevanz nie berücksichtigt; vor einiger Zeit musterten wir auch den Aral Schlemmeratlas aus, nachdem Sternekoch Sascha Stemberg eine entsprechende Diskussion auf Facebook losgetreten hatte und von vielen Kollegen bestätigt wurde. Offenbar konnte der Guide nicht transparent machen, ob die Tester tatsächlich im jeweiligen Lokal waren; textgleiche Artikel zogen sich über mehrere Jahrgänge hin und innovative Küchen wurden nicht präzise verstanden und beurteilt.

Aufsteiger Gusto

Blieben fünf Guides, die der Kritik jedoch auch nicht immer standhielten. Großkritiker Jürgen Dollase analysierte die Mängel der verschiedenen Guides sehr zutreffend und auch Uta Bühlers „Sternklasse“-Magazin machte mit seinen Umfragen unter Küchenchefs deutlich, welche Guides eigentlich in den Augen der Chefs Relevanz hatten: nicht der Varta und nicht der Feinschmecker jedenfalls. Also nur noch drei verlässliche Werke, von denen der Gault&Millau der ungeliebteste, gleichwohl mit spitzer Feder geschrieben und recht vergnüglich zu lesende Guide ist – der französisch verwurzelte Führer sucht aktuell einen neuen deutschen Verlag. Aufsteiger der letzten Jahre ist der gut geschriebene Gusto, dessen transparentes Geschäftsmodell gelobt wird: Nachvollziehbar wird das Geld, das der Verlag von den Restaurants nimmt, dort auch wieder für das Testessen investiert – mit Datum und Beleg. Der Gusto ist allerdings zu einer permanenten Online- Benotung übergegangen und bringt das gedruckte Werk unterdessen eher im Januar denn noch im jeweils alten Jahr heraus. Unangefochten als Nummer eins der Guides – nach einer kleinen Delle der Orientierungslosigkeit – präsentiert sich der Michelin, der allerdings durch den Wechsel seines Erscheinens von Mitte November auf Anfang März erst alles durcheinander gebracht hat. Seitdem hat jede Institution, ob Hornstein oder Gerolsteiner, Probleme, ein gültiges Jahresranking zu ermitteln.

Die große Abkehr vom Stern

Parallel setzte aber längst eine Entwicklung ein, die Rankings generell in Frage stellte. Küchenchefs, die „nicht mehr auf Stern“ kochen wollen – jüngstes Beispiel Martin Scharff im HeidelbergerSchloss, der nach 28 Jahren als Sternekoch die „Pinzettenküche“ leid ist. Sternelokale, die schließen, weil das Konzept nicht mehr funktioniert: vom Sternerestaurant Buddenbrooks im A- Rosa Travemünde bis zu Alfons Schuhbecks Fine Dining Restaurant Alfons. Sterneköche, die ein legeres Zweitlokal eröffnen, das dann prompt vom Publikum überrannt wird. Die große Abkehr vom Fünf- und Sieben-Gänge-Menü und von der fünfstündigen Veranstaltung namens „Besuch im Sternerestaurant“. Und immer wieder Argumente, die sich auf Begriffe wie Casual Fine Dining, neue Bodenständigkeit, Sharing Experience, regionale und saisonale Produkte, lässiges Ausgehen zurückführen lassen – oft befeuert von den Erfahrungen, die weltgereiste Foodies mit internationalen Streetfood-Szenarien oder prall gefüllten Markthallenkonzepten gemacht haben. Storytelling ist alles Das wollte man auch daheim haben, so ein neugieriges Probieren, und man wollte und will sich einem gekonnten Storytelling hingeben. Der Produzent, sei es der Fischer, die Jungwinzerin, der Ökoschweinezüchter oder die Bäuerin aus dem regenerativen Landbau, soll nach Möglichkeit an den Esstisch treten und die Geschichte seiner Lebensmittel erzählen. Erst wenn diese Story auf Authentizität abgeklopft und hinreichend gewürdigt ist, will man sich die gesalzene Butter aufs Landbrot aus selbst angesetztem Sauerteig streichen und den Orange Wine aus rheinhessischer Amphorenerzeugung goutieren – oder wenigstens ein Craft Beer aus der Mikrobrauerei nebenan dazu zischen. Rankings? Braucht kein Gast mehr.

15 spannende Chefs

Was wir uns allerdings nicht nehmen lassen: Ihnen hier 15 hoffnungsvolle Küchenchefs und typische Vertreter der „Klasse von 2020“ vorzustellen. Solche, die es in den Guides als Koch des Jahres oder auch als Aufsteiger zur Aufmerksamkeit gebracht haben, und solche, von denen wir überzeugt sind, dass wir von ihnen und ihrer Küchenphilosophie noch viel Gutes hören werden. Viel Spaß beim Entdecken!


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