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Management & Strategien | 15.05.2020

„Digitalisiert eure Prozesse und optimiert so euren Betrieb!“

Stefan Brehm Henning Wolter Stefan Brehm (links) und Henning Wolter / Fotos: Unternehmen

Mit den gerade beschlossenen Lockerungen in mehreren Bundesländern beginnen langsam die Aufräumarbeiten, viele Gastronomen beschäftigen sich jetzt mit dem Thema Wiedereröffnung. Im Doppelinterview verraten die Digitalisierungsexperten Stefan Brehm (Gastrofix) und Henning Wolter (VASol), wie sie den Corona-Wahnsinn erlebt haben, welche Fehler die Politik gemacht hat und worauf es in Zukunft ankommen wird.

 

Herr Brehm, Herr Wolter, wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?

Stefan Brehm: Es war schon eine irre Zeit. An einem Tag ist man noch auf der Skipiste im Allgäu, am nächsten wirst du quasi zu Hause eingesperrt und siehst Deine Mitarbeiter nur noch per Videokonferenz. Hinzu kamen die unzähligen Gespräche mit verzweifelten Gastronomen, die uns um Unterstützung baten, weil sie wegen Corona buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stehen. Ich habe trotzdem versucht, positiv zu bleiben.

Henning Wolter: Ich bin ein Kind der 1960er, einer der stabilsten Epochen überhaupt. Eine Situation wie jetzt gerade habe ich in dieser Dramatik nicht für möglich gehalten. Vor allem bin ich erstaunt, wie wenig anpassungsfähig viele in der Krise sind und passiv verharren, statt aktiv tätig zu werden. Das zeigt, wie sehr wir in unserer Gesellschaft noch daran arbeiten müssen, uns auf sich schnell wandelnde Zeiten einzustellen – ein Paradigmenwechsel, der nun hoffentlich den letzten nötigen Impuls bekommt.

 

Was hat sich Ihrer Meinung nach während der Corona-Krise bei den Gastronomen verändert?

Brehm: Ich glaube, vielen ist gerade schmerzhaft bewusst geworden, wie wichtig eine gute Organisation auch außerhalb des Tagesgeschäfts ist. Solides Finanzmanagement und ausreichend Rücklagen für unvorhersehbare Zeiten haben vor Corona wohl nur wenige Gastronomen auf dem Zettel gehabt. In unserer Branche wird ja oft von der Hand in den Mund gelebt. Die digitale Verwaltung der Geschäftszahlen (oder neudeutsch KPI Management) hat jedenfalls oft zu wenig Raum im Tagesgeschäft gehabt. Das wird sich jetzt sicherlich ändern.

Wolter: Die Gastronomie lebt vor allem von kreativen Menschen, die ihren Gästen mit unfassbarem Einsatz eine tolle Zeit bereiten. Das unternehmerische Handeln stand und steht da in der Regel leider eher im Hintergrund. Sehr viele Betriebe agieren am Rande des wirtschaftlichen Minimums und nicht zuletzt führen fragwürdige Praktiken dazu, dass keine Gewinne erwirtschaftet wurden. Das fällt jetzt sehr vielen bei der Beantragung von Krediten auf die Füße: Kein Gewinn, keine Kredite. Ich hoffe, dass diejenigen Gastronomen, die nach Corona übrigbleiben, daraus lernen und künftig stärker nachhaltig in die Zahlenwerke schauen.

 

Wie sehen Sie die Rolle der Politik?

Brehm: Viele Gastronomen haben hautnah miterlebt, wie wenig Rückhalt ihre Branche in der Politik hat. Der überwiegende Teil der Unternehmer, mit denen ich gesprochen habe, ist dementsprechend bitter enttäuscht von der Art und Weise, wie die Bundesregierung mit dem Gastgewerbe umgegangen ist. Es gab wiederholt große Versprechen, die nur in sinnlose Hilfen wie die Mehrwertsteuersenkung mündeten. Die Gastronomen werden das nicht so schnell vergessen. Auch persönlich empfinde ich die Vorgehensweise der Regierung bei den Hilfen für die Gastronomie in den letzten Wochen als ziemlich planlos und chaotisch.

Wolter: Die Politik ist gesetzlicher Rahmensetzer und damit maßgeblicher Faktor für das Zusammenleben insgesamt. Eine dazu 2017 vom Bundestag in Auftrag gegebene Risikostudie zeigt, welche Auswirkungen eine Pandemie konkret auf unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft hat, darunter Wirtschaft, Umwelt, Kultur, Sterblichkeitsrate und Gesundheit. Leider hat sich die Bundesregierung in den ersten Wochen der Pandemie lediglich auf die beiden letztgenannten konzentriert und die anderen Bereiche dramatisch unterbetrachtet. Das ändert sich ja zum Glück endlich.

 

Wie muss sich die Branche jetzt aufstellen?

Brehm: Eigentlich so, wie wir es schon vor Corona gebetsmühlenartig wiederholt haben: Digitalisiert eure Prozesse und optimiert so euren Betrieb! Noch viel zu wenige Gastronomen nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung. Reservierungssysteme, Online-Lieferservice oder das cloudbasierte Kassensystem: Die Corona-Krise zeigt doch gerade, wie digitale Tools und Services dem Gastronomen helfen, seine Zahlen besser zu kennen und dadurch flexibel reagieren zu können. Darauf wird es in Zukunft mehr denn je ankommen. Neustart Gastro bedeutet nämlich auch Neustart Digitalisierung.

Wolter: Wie die gesamte Gesellschaft muss auch das Gastgewerbe jetzt seine Resilienz steigern, also flexibler werden, damit es sich künftig schneller an neue Situationen anpassen kann. Es muss stärker darauf geachtet werden, dass die unternehmerische Tätigkeit auch in Ertrag mündet. Was bringt es mir, wenn mein umsatzstärkstes Produkt einen Verlust erwirtschaftet? Die fehlende Transparenz, welche Auswirkungen die unternehmerische Tätigkeit auf meinen Ertrag hat, muss zwingend beseitigt werden.

 

Worauf wird es in Zukunft vor allem ankommen?

Brehm: Leider lernen Menschen oft am meisten, wenn es weh tut. Die Situation heute ist für viele Gastronomen jedenfalls so schmerzhaft, wie es nur geht, und sie müssen leidvoll erfahren, wie schnell ein Geschäft ohne Vorsorge in Schieflage geraten kann. Für eine erfolgreiche Zukunft kommt es daher auf die innere Einstellung eines jeden Gastronomen an und inwieweit er bereit ist, sich mit neuen Denkansätzen zu beschäftigen. Letztlich müssen alle organisatorischen Arbeitswege auf den Prüfstand, ob diese nicht besser zu digitalisieren sind.

Wolter: Das Gastgewerbe mit seinen kreativen, arbeitswilligen und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten ist ein enorm wichtiger Rückhalt unserer gesellschaftlichen Vielfalt. Um diese Vielfalt zu erhalten, müssen die Gastronomen sich dem stellen, was die Systemgastronomie in den letzten Jahren so beeindruckend vorgelebt hat: höchste Professionalität nicht nur im Gastraum, sondern auch im Backoffice. Nur dort wird nämlich der langfristige wirtschaftliche Erfolg sichergestellt.”


ZU DEN PERSONEN

Stefan Brehm ist Mitgründer und Digitalisierungsexperte beim Kassenanbieter Gastrofix by Lightspeed aus Berlin. www.gastrofix.de

Henning Wolter ist geschäftsführender Gesellschafter der VAS Value Added Solutions und lehrt an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. www.vasol.eu


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Ich habe trotzdem versucht, positiv zu bleiben.Henning Wolter: Ich bin ein Kind der 1960er, einer der stabilsten Epochen überhaupt. Eine Situation wie jetzt gerade habe ich in dieser Dramatik nicht für möglich gehalten. Vor allem bin ich erstaunt, wie wenig anpassungsfähig viele in der Krise sind und passiv verharren, statt aktiv tätig zu werden. Das zeigt, wie sehr wir in unserer Gesellschaft noch daran arbeiten müssen, uns auf sich schnell wandelnde Zeiten einzustellen – ein Paradigmenwechsel, der nun hoffentlich den letzten nötigen Impuls bekommt.Was hat sich Ihrer Meinung nach während der Corona-Krise bei den Gastronomen verändert?Brehm: Ich glaube, vielen ist gerade schmerzhaft bewusst geworden, wie wichtig eine gute Organisation auch außerhalb des Tagesgeschäfts ist. Solides Finanzmanagement und ausreichend Rücklagen für unvorhersehbare Zeiten haben vor Corona wohl nur wenige Gastronomen auf dem Zettel gehabt. In unserer Branche wird ja oft von der Hand in den Mund gelebt. Die digitale Verwaltung der Geschäftszahlen (oder neudeutsch KPI Management) hat jedenfalls oft zu wenig Raum im Tagesgeschäft gehabt. Das wird sich jetzt sicherlich ändern.Wolter: Die Gastronomie lebt vor allem von kreativen Menschen, die ihren Gästen mit unfassbarem Einsatz eine tolle Zeit bereiten. Das unternehmerische Handeln stand und steht da in der Regel leider eher im Hintergrund. Sehr viele Betriebe agieren am Rande des wirtschaftlichen Minimums und nicht zuletzt führen fragwürdige Praktiken dazu, dass keine Gewinne erwirtschaftet wurden. Das fällt jetzt sehr vielen bei der Beantragung von Krediten auf die Füße: Kein Gewinn, keine Kredite. Ich hoffe, dass diejenigen Gastronomen, die nach Corona übrigbleiben, daraus lernen und künftig stärker nachhaltig in die Zahlenwerke schauen.Wie sehen Sie die Rolle der Politik?Brehm: Viele Gastronomen haben hautnah miterlebt, wie wenig Rückhalt ihre Branche in der Politik hat. Der überwiegende Teil der Unternehmer, mit denen ich gesprochen habe, ist dementsprechend bitter enttäuscht von der Art und Weise, wie die Bundesregierung mit dem Gastgewerbe umgegangen ist. Es gab wiederholt große Versprechen, die nur in sinnlose Hilfen wie die Mehrwertsteuersenkung mündeten. Die Gastronomen werden das nicht so schnell vergessen. Auch persönlich empfinde ich die Vorgehensweise der Regierung bei den Hilfen für die Gastronomie in den letzten Wochen als ziemlich planlos und chaotisch.Wolter: Die Politik ist gesetzlicher Rahmensetzer und damit maßgeblicher Faktor für das Zusammenleben insgesamt. Eine dazu 2017 vom Bundestag in Auftrag gegebene Risikostudie zeigt, welche Auswirkungen eine Pandemie konkret auf unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft hat, darunter Wirtschaft, Umwelt, Kultur, Sterblichkeitsrate und Gesundheit. Leider hat sich die Bundesregierung in den ersten Wochen der Pandemie lediglich auf die beiden letztgenannten konzentriert und die anderen Bereiche dramatisch unterbetrachtet. Das ändert sich ja zum Glück endlich.Wie muss sich die Branche jetzt aufstellen?Brehm: Eigentlich so, wie wir es schon vor Corona gebetsmühlenartig wiederholt haben: Digitalisiert eure Prozesse und optimiert so euren Betrieb! Noch viel zu wenige Gastronomen nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung. Reservierungssysteme, Online-Lieferservice oder das cloudbasierte Kassensystem: Die Corona-Krise zeigt doch gerade, wie digitale Tools und Services dem Gastronomen helfen, seine Zahlen besser zu kennen und dadurch flexibel reagieren zu können. Darauf wird es in Zukunft mehr denn je ankommen. Neustart Gastro bedeutet nämlich auch Neustart Digitalisierung.Wolter: Wie die gesamte Gesellschaft muss auch das Gastgewerbe jetzt seine Resilienz steigern, also flexibler werden, damit es sich künftig schneller an neue Situationen anpassen kann. Es muss stärker darauf geachtet werden, dass die unternehmerische Tätigkeit auch in Ertrag mündet. Was bringt es mir, wenn mein umsatzstärkstes Produkt einen Verlust erwirtschaftet? Die fehlende Transparenz, welche Auswirkungen die unternehmerische Tätigkeit auf meinen Ertrag hat, muss zwingend beseitigt werden.Worauf wird es in Zukunft vor allem ankommen?Brehm: Leider lernen Menschen oft am meisten, wenn es weh tut. Die Situation heute ist für viele Gastronomen jedenfalls so schmerzhaft, wie es nur geht, und sie müssen leidvoll erfahren, wie schnell ein Geschäft ohne Vorsorge in Schieflage geraten kann. Für eine erfolgreiche Zukunft kommt es daher auf die innere Einstellung eines jeden Gastronomen an und inwieweit er bereit ist, sich mit neuen Denkansätzen zu beschäftigen. Letztlich müssen alle organisatorischen Arbeitswege auf den Prüfstand, ob diese nicht besser zu digitalisieren sind.Wolter: Das Gastgewerbe mit seinen kreativen, arbeitswilligen und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten ist ein enorm wichtiger Rückhalt unserer gesellschaftlichen Vielfalt. Um diese Vielfalt zu erhalten, müssen die Gastronomen sich dem stellen, was die Systemgastronomie in den letzten Jahren so beeindruckend vorgelebt hat: höchste Professionalität nicht nur im Gastraum, sondern auch im Backoffice. Nur dort wird nämlich der langfristige wirtschaftliche Erfolg sichergestellt.”ZU DEN PERSONENStefan Brehm ist Mitgründer und Digitalisierungsexperte beim Kassenanbieter Gastrofix by Lightspeed aus Berlin. www.gastrofix.deHenning Wolter ist geschäftsführender Gesellschafter der VAS Value Added Solutions und lehrt an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. www.vasol.eu

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