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gastrotel weekly | 06.10.2020

Erfolgreich ohne Gäste

Stefan Cammann Mise en place Stefan Cammann / Foto: Mise en place

Kolumne von Stefan Cammann aus gastrotel 3/4-2020

Ich muss ja zugeben, als ich das erste Mal den Begriff „Ghostkitchen“ gehört habe, dachte ich zuerst, es handele sich um den neuesten Kino-Blockbuster von Roland Emmerich. Dem war aber nicht so. Vielmehr wird damit ein Trend beschrieben, der in Deutschland gerade durch Corona deutlich beflügelt wurde: Küchen ohne Restaurant.

Dass man sich Pizza, Grillhähnchen, Schnitzel oder auch Döner direkt ins Haus bestellen kann, ist ja nichts Neues. Neu ist aber, dass dieses Essen immer öfter aus ein- und derselben Küche kommt und diese Küche weder ein Restaurant noch Gäste hat. Kunden können nicht vor Ort essen und auch nichts zum Mitnehmen bestellen. Diese so genannten „Geisterküchen“ werden gezielt konzipiert, gebaut und betrieben, um einzig und allein das Angebot von „virtuellen Restaurants“ und den damit verbundenen Lieferservice zu bedienen. Die Restaurants existieren nicht real, sondern nur im Internet.

Vergleichbar ist dieser Trend mit der Entwicklung des Online-Handels. War es vor einigen Jahren noch völlig selbstverständlich, dass ich, wenn ich neue Schuhe brauche, in ein Schuhgeschäft gehe und dort „analog“ meine Schuhe aussuche und kaufe, so hat sich dies spätestens mit dem schreienden Postboten von Zalando geändert. Heute gibt es für alle qualitativen und preislichen Kundenbedürfnisse „virtuelle Kaufhäuser“.

Curry, Roulade, Burger und Pizza

Natürlich ist es etwas anderes, ein paar Flip-Flops oder ein warmes Essen zu liefern. Und dennoch gibt es viele Parallelen. Am Anfang stehen die Marke, das Image und die Marktpositionierung. Das Branding wird bis ins kleinste Detail geplant und entwickelt. Es gibt eigene Logos, eine eigene Story, eine hochwertige Website mit eigener Karte und natürlich perfekt gepflegte Facebook- und Instagram-Auftritte. Am Ende kommen dann möglicherweise das Tai Curry, die Rinderroulade, der Burger und die Pizza aus einer einzigen Küche. Das, was uns Christian Rach und seine Restaurantretter-Kollegen jahrelang haben austreiben wollen, ist hier erfolgreiches Geschäftsmodell.

Nun stellt sich sicherlich dem einen oder anderen Berufskollegen die Frage, was er mit dieser Information und diesem Trend denn nun anfangen soll. Nun ja, man kann es als kurzzeitigen Internet-Quatsch abtun oder aber, was ich deutlich besser finden würde, die Chancen für sich und sein Unternehmen in dieser spannenden Entwicklung suchen. Corona hat mehr als deutlich gemacht, wie fragil die Gastronomie in weiten Teilen aufgestellt und wie dünn doch meist die Ertragslage ist. Was spricht also gegen ein wertschöpfendes Zusatzgeschäft? Ich möchte Ihnen drei Beispiele aufzeigen, bei denen der Trend der Ghostkitchen auch für bestehende Betriebe durchaus nützlich sein könnte.

Vom Foodtruck bis zur Kantine

Beispiel Foodtruck: Als Besitzer eines Foodtrucks kennen Sie das Problem. Die meisten Festivals oder Events finden am Wochenende statt. Sich mal eben irgendwo in Deutschland an die Straßenecke zu stellen und dort Essen zu verkaufen, ist auch nicht so einfach. Wie also laste ich meine fahrende Küche über die gesamte Woche besser aus? Hier wäre es durchaus sinnvoll, das Prinzip Ghostkichen anzuwenden und das Essen von einer Homebase aus zu verschicken.

Beispiel Restaurant: Sie haben ein Restaurant und einen oder zwei Ruhetage? Die seien Ihnen natürlich gegönnt. Und dennoch sollte man sich einmal die Frage stellen, wie man die zwei Tage nutzen könnte, in denen die Küche stillsteht. Auch hier wäre das Konzept Ghostkitchen anwendbar. Beispielsweise mit einem Lieferservice nur an den Ruhetagen des Restaurants. Auch könnte man überlegen, die Küche speziell für diese Tage an einen anderen Kollegen zu vermieten.

Beispiel Gemeinschaftsverpflegung: Wenn man sich einmal anschaut, was heute eine Küche für ein Betriebsrestaurant mittlerer Größe kostet und dann darüber nachdenkt, für welch eine kurze Zeit des Tages diese Investition eigentlich genutzt wird, so sollte sich die Frage einer besseren Auslastung und Mehrfachnutzung von selbst stellen. Und auch hier ist das Prinzip Ghostkitchen fast schon wie geschaffen für diese Art von Betrieben. Werden die Mitarbeiter doch in der Regel tagsüber bekocht und kulinarisch verwöhnt, so bleiben die Küchen der Mitarbeiterrestaurants am Abend meistens kalt.

Planung ist das A und O

In jedem Fall sollte ein solches Vorhaben immer sehr gut überlegt, vorbereitet und geplant werden. Ohne ein sehr gutes Branding und Marketing wird es nicht funktionieren. Und auch die Logistik spielt eine sehr entscheidende Rolle. Es ist zudem durchaus überlegenswert, eine der bekannten großen Lieferplattformen wie etwa Lieferando zu nutzen. Auch wenn hier mitunter hohe Provisionen fällig werden – der Aufbau einer eigenen Logistik, einer eigenen erfolgreichen und weitreichenden Internetpräsenz ist sicherlich nicht schneller getan und schon gar nicht automatisch günstiger.

Und ob Sie nun an Geister glauben oder nicht – die Idee und das Prinzip der Ghostkitchen sollte Ihnen keine Angst machen. Werden Sie lieber zum Geisterjäger und fangen Sie Ihre Chancen.


ZUR PERSON

Stefan Cammann ist gelernter Metzger und Koch. Nach zehn Jahren am Herd machte er sich im Jahr 2001 mit dem Restaurant faktorei in Duisburg selbstständig. Hier entstand auch seine Idee der „Prozess-Küche“, die vereinfachte Arbeitsabläufe und einen stressfreien Arbeitsplatz schaffen sowie dem Fachkräftemangel entgegenwirken soll. Das sogenannte R2M-System steht für „reduce to the max“ und ersetzt die klassische Postenküche durch intelligente, multifunktionale Technik. Vertrieben wird es durch Cammanns Firma Mise en place Gastro Solutions.

www.miseenplace24.com


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gastrotel weekly Erfolgreich ohne Gäste Kolumne von Stefan Cammann aus gastrotel 3/4-2020Ich muss ja zugeben, als ich das erste Mal den Begriff „Ghostkitchen“ gehört habe, dachte ich zuerst, es handele sich um den neuesten Kino-Blockbuster von Roland Emmerich. Dem war aber nicht so. Vielmehr wird damit ein Trend beschrieben, der in Deutschland gerade durch Corona deutlich beflügelt wurde: Küchen ohne Restaurant.Dass man sich Pizza, Grillhähnchen, Schnitzel oder auch Döner direkt ins Haus bestellen kann, ist ja nichts Neues. Neu ist aber, dass dieses Essen immer öfter aus ein- und derselben Küche kommt und diese Küche weder ein Restaurant noch Gäste hat. Kunden können nicht vor Ort essen und auch nichts zum Mitnehmen bestellen. Diese so genannten „Geisterküchen“ werden gezielt konzipiert, gebaut und betrieben, um einzig und allein das Angebot von „virtuellen Restaurants“ und den damit verbundenen Lieferservice zu bedienen. Die Restaurants existieren nicht real, sondern nur im Internet.Vergleichbar ist dieser Trend mit der Entwicklung des Online-Handels. War es vor einigen Jahren noch völlig selbstverständlich, dass ich, wenn ich neue Schuhe brauche, in ein Schuhgeschäft gehe und dort „analog“ meine Schuhe aussuche und kaufe, so hat sich dies spätestens mit dem schreienden Postboten von Zalando geändert. Heute gibt es für alle qualitativen und preislichen Kundenbedürfnisse „virtuelle Kaufhäuser“.Curry, Roulade, Burger und PizzaNatürlich ist es etwas anderes, ein paar Flip-Flops oder ein warmes Essen zu liefern. Und dennoch gibt es viele Parallelen. Am Anfang stehen die Marke, das Image und die Marktpositionierung. Das Branding wird bis ins kleinste Detail geplant und entwickelt. Es gibt eigene Logos, eine eigene Story, eine hochwertige Website mit eigener Karte und natürlich perfekt gepflegte Facebook- und Instagram-Auftritte. Am Ende kommen dann möglicherweise das Tai Curry, die Rinderroulade, der Burger und die Pizza aus einer einzigen Küche. Das, was uns Christian Rach und seine Restaurantretter-Kollegen jahrelang haben austreiben wollen, ist hier erfolgreiches Geschäftsmodell.Nun stellt sich sicherlich dem einen oder anderen Berufskollegen die Frage, was er mit dieser Information und diesem Trend denn nun anfangen soll. Nun ja, man kann es als kurzzeitigen Internet-Quatsch abtun oder aber, was ich deutlich besser finden würde, die Chancen für sich und sein Unternehmen in dieser spannenden Entwicklung suchen. Corona hat mehr als deutlich gemacht, wie fragil die Gastronomie in weiten Teilen aufgestellt und wie dünn doch meist die Ertragslage ist. Was spricht also gegen ein wertschöpfendes Zusatzgeschäft? Ich möchte Ihnen drei Beispiele aufzeigen, bei denen der Trend der Ghostkitchen auch für bestehende Betriebe durchaus nützlich sein könnte.Vom Foodtruck bis zur KantineBeispiel Foodtruck: Als Besitzer eines Foodtrucks kennen Sie das Problem. Die meisten Festivals oder Events finden am Wochenende statt. Sich mal eben irgendwo in Deutschland an die Straßenecke zu stellen und dort Essen zu verkaufen, ist auch nicht so einfach. Wie also laste ich meine fahrende Küche über die gesamte Woche besser aus? Hier wäre es durchaus sinnvoll, das Prinzip Ghostkichen anzuwenden und das Essen von einer Homebase aus zu verschicken.Beispiel Restaurant: Sie haben ein Restaurant und einen oder zwei Ruhetage? Die seien Ihnen natürlich gegönnt. Und dennoch sollte man sich einmal die Frage stellen, wie man die zwei Tage nutzen könnte, in denen die Küche stillsteht. Auch hier wäre das Konzept Ghostkitchen anwendbar. Beispielsweise mit einem Lieferservice nur an den Ruhetagen des Restaurants. Auch könnte man überlegen, die Küche speziell für diese Tage an einen anderen Kollegen zu vermieten.Beispiel Gemeinschaftsverpflegung: Wenn man sich einmal anschaut, was heute eine Küche für ein Betriebsrestaurant mittlerer Größe kostet und dann darüber nachdenkt, für welch eine kurze Zeit des Tages diese Investition eigentlich genutzt wird, so sollte sich die Frage einer besseren Auslastung und Mehrfachnutzung von selbst stellen. Und auch hier ist das Prinzip Ghostkitchen fast schon wie geschaffen für diese Art von Betrieben. Werden die Mitarbeiter doch in der Regel tagsüber bekocht und kulinarisch verwöhnt, so bleiben die Küchen der Mitarbeiterrestaurants am Abend meistens kalt.Planung ist das A und OIn jedem Fall sollte ein solches Vorhaben immer sehr gut überlegt, vorbereitet und geplant werden. Ohne ein sehr gutes Branding und Marketing wird es nicht funktionieren. Und auch die Logistik spielt eine sehr entscheidende Rolle. Es ist zudem durchaus überlegenswert, eine der bekannten großen Lieferplattformen wie etwa Lieferando zu nutzen. Auch wenn hier mitunter hohe Provisionen fällig werden – der Aufbau einer eigenen Logistik, einer eigenen erfolgreichen und weitreichenden Internetpräsenz ist sicherlich nicht schneller getan und schon gar nicht automatisch günstiger.Und ob Sie nun an Geister glauben oder nicht – die Idee und das Prinzip der Ghostkitchen sollte Ihnen keine Angst machen. Werden Sie lieber zum Geisterjäger und fangen Sie Ihre Chancen.ZUR PERSONStefan Cammann ist gelernter Metzger und Koch. Nach zehn Jahren am Herd machte er sich im Jahr 2001 mit dem Restaurant faktorei in Duisburg selbstständig. Hier entstand auch seine Idee der „Prozess-Küche“, die vereinfachte Arbeitsabläufe und einen stressfreien Arbeitsplatz schaffen sowie dem Fachkräftemangel entgegenwirken soll. Das sogenannte R2M-System steht für „reduce to the max“ und ersetzt die klassische Postenküche durch intelligente, multifunktionale Technik. Vertrieben wird es durch Cammanns Firma Mise en place Gastro Solutions.www.miseenplace24.com

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