gastrotel weekly | 12.05.2020

Ein New-Work-Hotel im Harz erfindet sich neu

Fotostrecke Meik Lindberg The Hearts Hotel THH Meik Lindberg, Startup-Gründer und Hotelier, zeichnet für das The Hearts Hotel (THH) in Braunlage im Harzer Nationalpark (Niedersachsen) verantwortlich / Foto: THH

Die Corona-Krise hat die Tourismusbranche hart getroffen. Meik Lindberg, Startup-Gründer und Hotelier, erzählt, wie er sein New-Work-Hotel im Harz durch die Krise führt.

Aus der Startup-Szene ins kalte Wasser

Ich habe 20 Jahre lang überwiegend Startups aufgebaut. In Stuttgart, Los Angeles, Hamburg oder San Diego. 2017 wollte ich mich beruflich verändern und etwas ganz Neues machen. Als regelmäßiger Hotelgast ist mir in vielen Hotels aufgefallen: Die Menschen können heute nicht mehr unterscheiden, ob sie nun wirklich Urlaub machen oder ob sie arbeiten oder beides miteinander verbinden. Und dafür gibt es kaum geeignete Hotels. Also habe ich ein Konzept dazu entwickelt und bin auf Location-Suche in Deutschland gegangen – und im Harz fündig geworden.

Gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Ralph Hesse kauften wir ein ehemaliges Schulungsgelände der Barmer Ersatzkasse im Ort Braunlage im Harzer Nationalpark, Niedersachsen – und bauten es zu einem New-Work-Boutique-Hotel um. Das Hotel sollte ein Rückzugsort für die New-Work-Generation sein, aber auch für kleine Arbeitskreise, Startups und Strategiemeetings dienen. Das Investitionsvolumen bis zur Fertigstellung, belief sich auf 5,6 Millionen Euro.

Trial-and-Error

Wir sind von der amerikanischen Startup-Szene geprägt. Es heißt, die Amerikaner bauen ihre Flugzeuge beim Fliegen – alles weitere kommt dann. So sind wir auch mit dem The Hearts Hotel (THH) vorgegangen. 2018 öffneten wir als Pop-Up-Hotel unsere Pforten – auch, wenn noch nicht alle Zimmer fertig waren. Dabei hatten wir so viel Spaß, dass wir das Hotel nicht mehr schlossen. Wir haben unsere Lieferanten kennengelernt, über 30 Mitarbeiter aktiviert und schnell die ersten Gäste bekommen. Die Abläufe haben wir beim Machen gelernt. Von Hotellerie und Gastronomie hatten wir vorher keine Ahnung. An Unternehmertum und Spaß bei der Sache fehlt es uns allerdings nicht.

Hotel neu denken

Beim Umbau der Anlage haben wir uns stark auf die New Work-Generation ausgerichtet. Ein wichtiger Faktor: einwandfrei funktionierendes Internet auf dem gesamten Ressort. Egal, ob in der Sauna, auf den Zimmern, draußen oder in den Gemeinschaftsräumen. Das klingt eigentlich selbstverständlich. In vielen Hotels müssen Gäste aber immer noch an der Rezeption nach dem W-Lan-Code fragen, der ihnen dann auf einem drei Meter langen Zettel überreicht wird. Gute Verbindung auf dem Zimmer ist leider auch nicht überall Standard. Allein hier können Verantwortliche schon einen Unterschied machen.

Wir haben den gesamten Check-In-Prozess neugedacht: Zwei Tage vor der Anreise erhalten die Gäste einen Link zum Online-Check-In – ähnlich wie bei Flugreisen. Auf einer Landingpage füllen sie dann ihre Daten im Voraus aus, erhalten den Kurtaxe-Nachweis und können ihre Essensvorlieben nennen. Sie erhalten einen Anreiseplan und können so direkt auf ihr Zimmer gehen, ohne vorher an der Rezeption anhalten zu müssen. Die Zimmertür öffnen sie mit ihrem Smartphone.

Der Lockdown

Wie alle Hotels hat auch uns der Lockdown hart getroffen. Wir wollten dieses Jahr richtig durchstarten – und müssen nun umschwenken. Zu Beginn des Lockdowns waren wir gut eine Woche in Schockstarre. Das war gespenstisch. Wir mussten unsere Hotelgäste nach Hause schicken und plötzlich war Leerstand. Als wir dann wieder zur Besinnung kamen, haben wir schnell reagiert. Wir haben Mittel aus dem Topf für den Umbau in Betriebsmittel umgewandelt, um für eine gewisse Zeit auch mit Leerstand liquide zu sein.

Für die Mitarbeiter meldeten wir Kurzarbeit an. Lediglich die Azubis beschäftigen wir normal weiter. Kostenminimierung und Mitarbeitern das Gefühl geben, dass es weitergeht, ist jeder Krise wichtig. Hier stehen wir Hotelbetreiber in unserer unternehmerischen Verantwortung, die Leute an die Hand zu nehmen und ihnen zu zeigen: Es geht weiter, gemeinsam packen wir das. Einmal die Woche treffen sich alle Mitarbeiter zum Revival-Meeting, um das Teamgefühl aufrecht zu erhalten.

Performance Support aus anderen Branchen

Im nächsten Schritt haben wir uns Performance Support ins Boot geholt. Die drei Interim Manager Peter Kuhle, Ulvi Aydin und Siegfried Lettmann sind Experten für neue Geschäftsmodelle, Marketing, Vertrieb, Service sowie Management in kritischen Phasen – und bringen Erfahrung in Restrukturierung, Transformation und Turnaround aus unterschiedlichsten Branchen mit. Sie haben eine Partnerschaft gebildet, um angezählte Unternehmen durch die Corona-Krise zu begleiten. In mehreren Strategiegesprächen und Sparringsrunden haben wir Ansätze entwickelt, wie es für das THH weitergehen könnte.

Wir konstruierten eine Bestandsaufnahme: Wie ist die Situation? Wie weit hält das Hotel im Leerstand noch durch? Unter welchen Voraussetzungen kann es überleben? Was können wir neu machen? Was können wir ändern? In der Diskussion kamen dann auch zwei Schlüsselfragen auf: Welche Bedürfnisse kommen auf den Tourismussektor zu? Und: Wie tagt Deutschland in Zukunft?

Post-Corona-Boom im deutschen Nahtourismus

Hier sind wir Hoteliers uns wohl alle einig: Die Hoffnung liegt im Post-Corona-Boom des Nahtourismus. Flugreisen werden die Deutschen dieses Jahr meiden. Die Lust auf Urlaub wird nach den Ausgangs- und Freizeitbeschränkungen aber größer sein, denn je. „Müritzsee statt Malaga“ titelte Die Zeit vor kurzem in einem Beitrag. Das Angebot in Deutschland ist begrenzt, die Nachfrage steigt schon jetzt. Wir freuen uns auf die hohe Auslastung und bereiten uns nun auf das neue Urlaubsverhalten vor. Vorher blieben Gäste in der Regel drei bis vier Tage im Schnitt. Im Sommer werden sie nun voraussichtlich 7-10 Tage im Schnitt bleiben.

Pauschalangebote und Freizeitaktivitäten in der Region treten in den Vordergrund. Wir passen uns daran an – und sind vom innovativen Hotel zum Reiseveranstalter geworden. Vor acht Wochen hätte ich noch darüber gelacht. Wir haben mit unterschiedlichsten Anbietern von Freizeitaktivitäten in der Region gesprochen und sind Partnerschaften eingegangen. Auf 160 Unterseiten bieten wir nun auf unserer Website Pauschalreisen und individuelle Reisepakete an. Baden, Tauchen, Stadt-, Museums- oder Theaterbesuche, Mountainbike- oder Wandertouren – für jeden ist etwas dabei.

Wie tagt Deutschland in der Zukunft?

Die Reisegewohnheiten von Managern und Geschäftsreisenden werden sich verändern. Sie werden weiterhin reisen, benötigen aber noch stärker Onlinezugang für Meetings. Die Wahl nach Tagungsstätten verschiebt sich: Weg von Ballungsgebieten, hin zu kleineren Hotels im Grünen. Sicherheitsabstand und erhöhte Hygienemaßnahmen in den Hotelzimmern und Tagungsräumen treten ebenso in den Vordergrund, wie eine gute Online-Infrastruktur.

Hier werden sich die Hotels durchsetzen, die digitale Meetings und Konferenzen mit Videozuschaltung störungsfrei zur Verfügung stellen können. Wir haben uns von Anfang an digital-affin aufgestellt. Davon profitieren wir nun in der Vorbereitung für zukünftige Veranstaltungen. Ich möchte vor allem Betreiber kleinerer Hotels in ruhigen Gegenden ermutigen, sich für das neue Reise- und Tagungsverhalten zu positionieren.

Mit krisenerprobten Branchen austauschen

Dass wir vom THH sehr schnell reagieren und unser Geschäftsmodell erweitern konnten, liegt an zwei Gründen: Einerseits an unserer Startup-Mentalität. Wir haben flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege – und entwickeln uns immer auf die Bedürfnisse unserer Kunden hin weiter. Wir haben unser Know-how aus der Gründerszene mit in die Hotelbranche gebracht und sind hochgradig flexibel, was in Krisenzeiten ein Vorteil ist.

Andererseits haben wir durch das Sparring mit den drei Interim Managern zusätzlich Einblicke aus unterschiedlichen Branchen gewinnen können. Ob Maschinenbau, Konsumgüterindustrie, ITK oder Energiebranche. Alleine durch den Austausch entsteht ein enormer Wissenstransfer, aus dem kreative Geschäftsmodelle entstehen können. Auch das kann ich Hotelbetreibern nur empfehlen: Mit Unternehmern aus fachfremden, krisenerprobten Branchen sprechen, vielleicht sogar Symbiosen eingehen und strategische Partnerschaften bilden. Krise ist immer auch Chance. Wir müssen sie nur ergreifen.

www.heartshotel.com


Zur Person

Meik Lindberg ist Gründer und Geschäftsführer des The Hearts Hotel (THH) im Nationalpark Harz. Vorher hat Lindberg 20 Jahre lang deutsche und amerikanische Startups aufgebaut. Mit dem THH hat er nun ein modernes, digitalfreundliches Work & Stay Boutique-Hotel gebaut, in dem Gäste der New Work Generation Urlaub machen und arbeiten können.

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