gastrotel weekly | 05.12.2024

„Ein kurzes Scannen liefert direkt wertvolle Informationen“

Jo Kern Jo Kern / Foto: Christian Kaufmann

Das Gesichtslesen kann Gastronomen, Hoteliers und ihren Mitarbeitern dabei helfen, Gäste besser einzuschätzen – ob im Restaurant, an der Rezeption oder Bar. Jo Kern ist Expertin im face reading und erklärt im Interview, was es damit auf sich hat.

 

Frau Kern, Gesichtslesen wird oft als faszinierende Fähigkeit beschrieben, Menschen besser zu verstehen. Wie genau kann Gesichtslesen Hoteliers und Gastronomen helfen, Gäste in Sekundenschnelle einzuschätzen, besonders schon bei der Ankunft an der Rezeption?

Gesichtslesen ermöglicht es, in Sekundenbruchteilen wesentliche Hinweise auf die Persönlichkeit zu bekommen, Stimmung und Bedürfnisse eines Gastes zu erkennen. An der Rezeption können Mitarbeiter beispielsweise direkt einschätzen, ob sie es mit einem eher pragmatisch oder emotional orientierten Gast zu tun haben. Auch können sie sehen, ob jemand eher ausführlich und herzlich begrüßt werden möchte oder ob man besser kurz und knapp ‚zur Sache kommt‘. Mit diesem Wissen kann der Gastronom, Hotelier oder Mitarbeiter den Gast sofort viel gezielter ansprechen, beispielsweise mit einer praktischen, beruhigenden oder enthusiastischen Begrüßung.


Welche konkreten Gesichtsmerkmale oder -ausdrücke sollte ein Hotelier oder Gastronom bei einem Gast besonders beobachten, um schneller auf dessen Bedürfnisse und Wünsche einzugehen? Gibt es bestimmte „Schlüsselzeichen", die auf Stress, Zufriedenheit oder Unzufriedenheit hindeuten?

Das sind natürlich Anzeichen, die ein geübter Gastronom/Hotelier definitiv auch ohne die Kunst in Gesichtern zu lesen spüren sollte. Hier kann man sein Bauchgefühl jedoch zusätzlich hilfreich abgleichen. Stress zeigt sich zum Beispiel schnell an den Arealen um die Augen (viele Falten, Rötungen, Augenringe und/oder Schwellungen). Auch eine verspannte, schmale Mundpartie deutet auf Unausgeglichenheit hin, und natürlich die generelle Körperhaltung wie hochgezogene Schultern und unruhiges, nervöses Auftreten. Zufriedenheit zeigt sich in generell entspannten Gesichtszügen, einer gelassenen, weichen Mundpartie, offenen Augen und natürlich einer insgesamt ruhigen Ausstrahlung, wohingegen Unzufriedenheit gut an zusammengekniffenen Augen und Augenbrauen, einem angespannten Kiefer und vor allem einer eher ‚nach unten ziehenden‘ Mundpartie zu sehen ist. So können wir noch schneller erkennen, ob der Gast erschöpft, gestresst ist oder eine schwierige Anreise hatte, und gezielte Maßnahmen ergreifen, wie etwa das Angebot eines vereinfachten, schnellen Check-ins oder eines Getränks.


Könnten Sie ein Beispiel geben, wie Sie einem Hotel- oder Gastronomiebetrieb mit Gesichtslesen helfen konnten, die Kommunikation mit einem Gast zu verbessern und so die Gästezufriedenheit zu steigern?

In einem Luxushotel bemerkte das Personal anhand meiner Schulung, dass ein Gast mit einem leichten Stirnrunzeln, fest aufeinander gepressten Lippen und einer etwas linkisch wirkenden Körperspannung einen inneren Konflikt hatte – meist Unsicherheit oder Ärger. Durch die Beobachtung der Gesichtszüge und meiner Empfehlung, hier gezielte Fragen zu stellen und nicht so schnell ‚aufzugeben‘, ganz simpel angefangen mit „Gibt es noch etwas, das wir für Sie tun können?“, öffnete sich der Gast und erklärte, dass das gewünschte Zimmer nicht seinen Vorstellungen entsprach. Dank des feinfühligen Umgangs konnte das Problem schnell gelöst werden, was natürlich in einer deutlich verbesserten Stimmung und positiver Rückmeldung resultierte.


In stressigen Situationen, etwa bei hohem Gästeaufkommen, fällt es oft schwer, individuell auf Gäste einzugehen. Wie kann face reading in solchen Momenten helfen, schnelle und präzise Entscheidungen zu treffen, um Konflikte zu vermeiden oder den Service zu optimieren?

Face Reading hilft, die Stimmung und vor allem die grundliegenden Grundbedürfnisse eines Gastes selbst in hektischen Momenten blitzschnell zu erfassen. Ein kurzes Scannen des Gesichtes liefert direkt wertvolle Informationen. So kann der Mitarbeiter erkennen, ob ein Gast Geduld hat oder dringend Aufmerksamkeit braucht. Ein Beispiel: Ein Gast mit dem dringenden Bedürfnis nach Schnelligkeit und Präzision könnte gezielt angesprochen und priorisiert bedient werden, um Eskalation oder Unzufriedenheit zu vermeiden. Die Kunst, in Gesichtern lesen zu können ist wie ein innerer Kompass, der trotz Stress den Weg zur besten Entscheidung weist.


Gesichtslesen klingt nach einer wertvollen Fähigkeit für die Gästebetreuung. Wie können Hotel- und Restaurantmitarbeiter diese Fähigkeit in ihrem Alltag effektiv trainieren und anwenden? Gibt es Tipps, um diese Fähigkeit Schritt für Schritt zu entwickeln, ohne dass es aufgesetzt oder unnatürlich wirkt?

Der Schlüssel liegt in regelmäßigem Beobachten und Üben. Ich empfehle folgende Schritte:

1. Schulung: Ein Grundlagentraining in Face Reading hilft, direkt erste Muster und Merkmale zu erkennen. Schon nach kurzer Zeit entsteht eine neue Art des ‚Sehens‘.

2. Tägliches Implementieren an den Gästen, Kollegen und Mitarbeitern verfeinert dann ganz natürlich die Wahrnehmung. Während der Arbeit bewusst die Gesichter der Gäste beobachten und mental oder real Notizen machen.

3. Feedback-Runden: Im Team die Beobachtungen austauschen, und so die Treffsicherheit immer weiter verbessern.

4. Natürlichkeit bewahren: Gäste nicht zwanghaft ‚analysieren“, sondern mit Empathie und Interesse agieren. Das Gesicht liefert uns wertvolle Hinweise, die wir dann durch passende und gezielte Kommunikation immer selbstverständlicher ‚bedienen‘ können.

5. Übungen mit Fotos: Alltagssituationen oder Gesichter aus der Umgebung beobachten und interpretieren.

Mit diesen Schritten wird das Gesichtslesen zur natürlichen Ergänzung im Umgang mit Gästen. Hoteliers und Gastronomen, die die Fähigkeit des face readings beherrschen und das Potential dahinter verstehen, haben unzählige Vorteile in ihrem Arbeitsalltag, können Gäste besser verstehen und abholen und den Fachkräften in ihrem Hotel oder Gastronomiebetrieb aufzeigen, wie sie diese Technik praktisch einsetzen können.


Jo Kern bietet dazu beispielsweise auch ein von ihr entwickeltes Online-Training an, bei dem man im eigenen Tempo verschiedene Module bearbeitet.

www.read-my-face.com

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