gastrotel weekly | 04.02.2021

Ist die Corona-Pandemie versicherbar?

Felix Korten Korten Rechtsanwälte AG Felix Korten, Rechtsanwalt und Vorstand der Kanzlei Korten Rechtsanwälte / Foto: Korten Rechtsanwälte AG

Die aktuelle Situation geht im Gastgewerbe mit enormen Einbußen einher. Abgeschlossene Betriebsschließungsversicherungen sollen vor solchen existenzbedrohenden Schieflagen schützen. Im Rahmen der Corona-Pandemie ist die Frage der Deckung jedoch besonders brisant. Ein Gastbeitrag von Felix Korten, Rechtsanwalt und Vorstand der Kanzlei Korten Rechtsanwälte AG

Küche kalt, Betten leer, Türen verschlossen! Für viele Gastronomen und Hoteliers bedeutet die Corona-Krise vor allem Lockdown, Umsatzeinbrüche oder sogar finanzielle Totalausfälle. Die Frage, ob Betriebsschließungsversicherungen in diesem Fall einspringen, kann für den Fortbestand eines Unternehmens entscheidend sein. Vor allem, da staatliche Hilfen bisher schleppend anlaufen, versprechen sich zahlreiche Betriebe schnelle finanzielle Unterstützung von ihren Versicherern. Doch auch hier ist der Weg zur Entschädigung selten geradlinig. Um einen corona-bedingten Leistungsanspruch und die Höhe der Versicherungssumme ist ein Streit entbrannt, der seit Monaten bundesweit zahlreiche Gerichte beschäftigt. Aktuelle Urteile geben Betriebsinhabern jedoch Grund zur Hoffnung.

Virus vs. Versicherungsschutz

Eigentlich sollen Betriebsschließungsversicherungen vor Vermögensschäden schützen. Diese entstehen unter anderem, wenn aufgrund behördlicher Anforderungen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger ein Betrieb geschlossen werden muss oder entsprechend ein vollständiges Tätigkeitsverbot für alle Mitarbeiter ausgesprochen wurde. In der Regel beinhaltet das Leistungsversprechen der Police – für die Dauer eines festgelegten Zeitraums – eine vereinbarte Tagesentschädigung sowie die befristete Zahlung der Bruttolohn- und Gehaltskosten. Je nach Vertrag können Unternehmen beispielsweise auch notwendige Ausgaben für Desinfektion oder die Kosten der Warenvorräte, inklusive ihrer Brauchbarmachung oder ihrer Vernichtung, ersetzt verlangen.

Im Fall von Corona liegt die Crux vor allem im Vertragstext und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Häufig verweisen Versicherer auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und knüpfen ihre Leistungen an das Vorliegen meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger nach den §§ 6, 7 IfSG. Entsprechend erfolgt in den meisten Verträgen auch eine namentliche Auflistung aller in diesen Paragrafen genannten Erkrankungen. Aufgrund seiner Neuartigkeit taucht Covid-19, die erst im Februar 2020 als meldepflichtige Krankheit erfasst wurde, hier jedoch nicht auf. Diesen Umstand nehmen viele Versicherer zum Anlass, ihre Einstandspflicht bei deutlich früher abgeschlossenen Verträgen abzulehnen. Sie berufen sich darauf, dass die Kataloge in den Verträgen abschließend seien. Damit nicht genug, stehen manche Versicherer doch auf dem Standpunkt, dass eine Betriebsschließungsversicherung nie für eine weltweite Pandemie oder einen bundesweiten Lockdown konzipiert worden ist. Entsprechend verweigern sie die Zahlung von Entschädigungen mit der Begründung, dass es sich bei den behördlichen Auflagen um regionale und überregionale Allgemeinverfügungen handelt, die sich nicht speziell auf das jeweilige Unternehmen beziehen. Und sogar die geringe Zeitspanne zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr und dem erneuten Shutdown im November dient als Grund, Forderungen gegen sogenannte Mehrfachanordnungen aufgrund gleicher Umstände abzuweisen. Zusätzlich erschwert eine unklare Rechtslage die Situation, wodurch es vor Gericht teilweise zu diametral entgegengesetzten Auslegungen in der Urteilssprechung kommt.

Blockadehaltung und Beschwerdewelle in Zivilkammern

Entschädigungszahlungen aus Betriebsschließungsversicherungen hängen bisher häufig vom „Goodwill“ der Versicherer ab. So haben sich beispielsweise das bayerische Wirtschaftsministerium, der DEHOGA Bayern und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft bereits im April 2020 mit mehreren Versicherern auf eine gemeinsame Empfehlung geeinigt. Diese sieht vor, dass zumindest ein Teil des finanziellen Schades übernommen wird. Ob diese sogenannte bayerische Lösung mit einer Reduzierung der Leistungen auf zehn bis 15 Prozent interessengerecht erscheint, ist allerdings fraglich, vor allem, wenn Versicherungspolicen ohne Subsidiaritätsklausel als Summen- und nicht als Schadensversicherung gestaltet sind.

Mittlerweile gibt es auch richtungsweisende Urteile – unter anderem vom Landgericht München (Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20), dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 04.11.2020 – 412 HKO 91/20), dem Landgericht Darmstadt (Urteil vom 09.12.2020 – 4 O 220/20) sowie dem Landgericht Flensburg (Urteil vom 10.12.2020 – 4 O 153/20) – bei denen Klägern die volle Versicherungssumme zugesprochen wurde. Dementsprechend stehen die Chancen für Versicherungsnehmer nicht schlecht, die komplette vertraglich vereinbarte Entschädigungsleistung zu erhalten. Es kommt jedoch auf den Einzelfall und auf die konkrete Ausgestaltung der Bedingungen an. Betroffene sollten daher unbedingt ihre bestehenden Policen durch einen Rechtsbeistand prüfen lassen und gegebenenfalls den Rechtsweg in Betracht ziehen. Wer einem Vergleich schon zugestimmt hat, kann sich allerdings nicht mehr gerichtlich zur Wehr setzen. In den meisten dieser Fälle werden die angebotenen „Kulanz-Zahlungen“ rechtlich daran geknüpft, dass der Betreiber seinen Versicherer nicht mehr corona-bedingt in Anspruch nehmen darf. Das bedeutet: Unternehmen erhalten einmalig lediglich eine kleine Vergleichssumme und mögliche zukünftige Ansprüche aufgrund des Coronavirus werden ausgeschlossen. Das gilt auch für den zweiten Lockdown.

Vergleich: Annehmen oder nicht annehmen?

Auch wenn Hotels und Gaststätten möglichst schnell Liquiditätshilfen benötigen, sollten Unternehmen, die über eine Betriebsschließungsversicherung verfügen, sich nicht abweisen lassen oder vorschnell auf Angebote ihrer Versicherer eingehen. Selbst wenn die aktuelle Corona-Pandemie nicht ausdrücklich in den vertraglichen Bedingungen erfasst ist und es sich bei der aktuellen Schließungsverordnung um eine bundesweite, behördliche Untersagung aufgrund von Infektionsgefahr handelt, kann eine Haftung der Versicherung zum Tragen kommen. Insbesondere die bisherigen Gerichtsentscheidungen, die sich inhaltlich positiv für den Versicherungsnehmer ausgesprochen haben, zeigen, dass es Erfolgsaussichten für Kläger gibt. Voraussetzung hierfür sind im Einzelfall neben einem abgeschlossenen Vertrag auch die genauen Formulierungen der jeweiligen Klauseln.


Über den Autor:

Felix Korten ist Rechtsanwalt und Vorstand der Kanzlei Korten Rechtsanwälte AG mit Standorten in Hamburg, München und Göttingen. Darüber hinaus verfügt er über langjährige Erfahrung als Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften. 2021 wurde er in den Senat der Wirtschaft berufen.

www.korten-ag.de


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Um einen corona-bedingten Leistungsanspruch und die Höhe der Versicherungssumme ist ein Streit entbrannt, der seit Monaten bundesweit zahlreiche Gerichte beschäftigt. Aktuelle Urteile geben Betriebsinhabern jedoch Grund zur Hoffnung.Virus vs. Versicherungsschutz Eigentlich sollen Betriebsschließungsversicherungen vor Vermögensschäden schützen. Diese entstehen unter anderem, wenn aufgrund behördlicher Anforderungen auf Basis des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger ein Betrieb geschlossen werden muss oder entsprechend ein vollständiges Tätigkeitsverbot für alle Mitarbeiter ausgesprochen wurde. In der Regel beinhaltet das Leistungsversprechen der Police – für die Dauer eines festgelegten Zeitraums – eine vereinbarte Tagesentschädigung sowie die befristete Zahlung der Bruttolohn- und Gehaltskosten. Je nach Vertrag können Unternehmen beispielsweise auch notwendige Ausgaben für Desinfektion oder die Kosten der Warenvorräte, inklusive ihrer Brauchbarmachung oder ihrer Vernichtung, ersetzt verlangen.Im Fall von Corona liegt die Crux vor allem im Vertragstext und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Häufig verweisen Versicherer auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und knüpfen ihre Leistungen an das Vorliegen meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger nach den §§ 6, 7 IfSG. Entsprechend erfolgt in den meisten Verträgen auch eine namentliche Auflistung aller in diesen Paragrafen genannten Erkrankungen. Aufgrund seiner Neuartigkeit taucht Covid-19, die erst im Februar 2020 als meldepflichtige Krankheit erfasst wurde, hier jedoch nicht auf. Diesen Umstand nehmen viele Versicherer zum Anlass, ihre Einstandspflicht bei deutlich früher abgeschlossenen Verträgen abzulehnen. Sie berufen sich darauf, dass die Kataloge in den Verträgen abschließend seien. Damit nicht genug, stehen manche Versicherer doch auf dem Standpunkt, dass eine Betriebsschließungsversicherung nie für eine weltweite Pandemie oder einen bundesweiten Lockdown konzipiert worden ist. Entsprechend verweigern sie die Zahlung von Entschädigungen mit der Begründung, dass es sich bei den behördlichen Auflagen um regionale und überregionale Allgemeinverfügungen handelt, die sich nicht speziell auf das jeweilige Unternehmen beziehen. Und sogar die geringe Zeitspanne zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr und dem erneuten Shutdown im November dient als Grund, Forderungen gegen sogenannte Mehrfachanordnungen aufgrund gleicher Umstände abzuweisen. Zusätzlich erschwert eine unklare Rechtslage die Situation, wodurch es vor Gericht teilweise zu diametral entgegengesetzten Auslegungen in der Urteilssprechung kommt.Blockadehaltung und Beschwerdewelle in Zivilkammern Entschädigungszahlungen aus Betriebsschließungsversicherungen hängen bisher häufig vom „Goodwill“ der Versicherer ab. So haben sich beispielsweise das bayerische Wirtschaftsministerium, der DEHOGA Bayern und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft bereits im April 2020 mit mehreren Versicherern auf eine gemeinsame Empfehlung geeinigt. Diese sieht vor, dass zumindest ein Teil des finanziellen Schades übernommen wird. Ob diese sogenannte bayerische Lösung mit einer Reduzierung der Leistungen auf zehn bis 15 Prozent interessengerecht erscheint, ist allerdings fraglich, vor allem, wenn Versicherungspolicen ohne Subsidiaritätsklausel als Summen- und nicht als Schadensversicherung gestaltet sind.Mittlerweile gibt es auch richtungsweisende Urteile – unter anderem vom Landgericht München (Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20), dem Landgericht Hamburg (Urteil vom 04.11.2020 – 412 HKO 91/20), dem Landgericht Darmstadt (Urteil vom 09.12.2020 – 4 O 220/20) sowie dem Landgericht Flensburg (Urteil vom 10.12.2020 – 4 O 153/20) – bei denen Klägern die volle Versicherungssumme zugesprochen wurde. Dementsprechend stehen die Chancen für Versicherungsnehmer nicht schlecht, die komplette vertraglich vereinbarte Entschädigungsleistung zu erhalten. Es kommt jedoch auf den Einzelfall und auf die konkrete Ausgestaltung der Bedingungen an. Betroffene sollten daher unbedingt ihre bestehenden Policen durch einen Rechtsbeistand prüfen lassen und gegebenenfalls den Rechtsweg in Betracht ziehen. Wer einem Vergleich schon zugestimmt hat, kann sich allerdings nicht mehr gerichtlich zur Wehr setzen. In den meisten dieser Fälle werden die angebotenen „Kulanz-Zahlungen“ rechtlich daran geknüpft, dass der Betreiber seinen Versicherer nicht mehr corona-bedingt in Anspruch nehmen darf. Das bedeutet: Unternehmen erhalten einmalig lediglich eine kleine Vergleichssumme und mögliche zukünftige Ansprüche aufgrund des Coronavirus werden ausgeschlossen. Das gilt auch für den zweiten Lockdown.Vergleich: Annehmen oder nicht annehmen? Auch wenn Hotels und Gaststätten möglichst schnell Liquiditätshilfen benötigen, sollten Unternehmen, die über eine Betriebsschließungsversicherung verfügen, sich nicht abweisen lassen oder vorschnell auf Angebote ihrer Versicherer eingehen. Selbst wenn die aktuelle Corona-Pandemie nicht ausdrücklich in den vertraglichen Bedingungen erfasst ist und es sich bei der aktuellen Schließungsverordnung um eine bundesweite, behördliche Untersagung aufgrund von Infektionsgefahr handelt, kann eine Haftung der Versicherung zum Tragen kommen. Insbesondere die bisherigen Gerichtsentscheidungen, die sich inhaltlich positiv für den Versicherungsnehmer ausgesprochen haben, zeigen, dass es Erfolgsaussichten für Kläger gibt. Voraussetzung hierfür sind im Einzelfall neben einem abgeschlossenen Vertrag auch die genauen Formulierungen der jeweiligen Klauseln.Über den Autor: Felix Korten ist Rechtsanwalt und Vorstand der Kanzlei Korten Rechtsanwälte AG mit Standorten in Hamburg, München und Göttingen. Darüber hinaus verfügt er über langjährige Erfahrung als Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften. 2021 wurde er in den Senat der Wirtschaft berufen.www.korten-ag.de

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