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Ideen & Konzepte „Es geht nicht um süß, es geht um Anspruch und Vielfalt“ 2016 begaben sich der Gastronomie-Konzepter Oliver Bischoff und der renommierte Pâtissier René Frank (zuvor la vie, Osnabrück) auf eine kulinarische Mission: Sie wollten der Gastro- und Genießerwelt zeigen, dass Desserts nicht nur der süße Schluss eines Menüs sein müssen, sondern ob ihres weltweiten Facettenreichtums tragfähig für einen ganzen Abend, ja ein ganzes Restaurant sind. Mit Erfolg: Im dritten Jahr gab es nun den ersten Michelinstern. Jan-Peter Wulf traf die beiden zum Gespräch in ihrem Neuköllner Betrieb.René, Oliver, das Coda gibt es jetzt fast drei Jahre. Ein Zwischenfazit?René Frank: Ein paar graue Haare mehr. Oliver Bischoff: So einige graue Haare mehr (beide lachen). René Frank: Im Rückblick ist die Entwicklung interessant, die wir durchgemacht haben. Ein Konzept zu machen, bei dem man sich an nichts, was es gibt, orientieren kann. Es fühlt sich so an, als sei man ein bisschen angekommen. Jedenfalls möchte ich nicht wieder im ersten Jahr sein … womit wir da gestruggelt haben.Womit zum Beispiel? René Frank: Wir haben ja zuerst gesagt: Wir sind eine Dessertbar. Und damit war für jeden klar, man kommt zur Barzeit für ein Dessert rein. Es führte dazu, dass sich manche Leute das Dessert für sechs Euro zum Teil sogar noch geteilt haben! Jetzt gibt es um 19 Uhr nur ein noch Sieben-Gang-Menü mit kleinen Drinks, ohne Abwahlmöglichkeit, für 128 Euro (und ab 22 Uhr drei oder vier Gänge plus Cocktails, Anm. d. Red.). Wählen kann man allerdings, ob man als begleitendes Getränk eines mit oder ohne Alkohol nimmt.  Oliver Bischoff: Neben den speisenbegleitenden Getränken – das sind eher Lippenbefeuchter – sollen die Gäste zusätzliche Getränke bestellen. Das vermitteln wir sehr konsequent. Auch hier werden wir immer sicherer, sind aber noch nicht da, wo wir sein können. René Frank: Wir haben auch eine kleine Preiserhöhung gemacht und den siebten Gang dazu genommen. Es gibt jetzt ein paar Snacks vorne weg, sieben Desserts mit zwei Käsedesserts und zum Schluss noch einen kleinen Snack. Den Beinamen haben wir von „Dessert Bar“ leicht in „Dessert Dining & Bar“ verändert. Nun sehen uns auch die Kritiker als Restaurant.Als Dessertrestaurant.René Frank: Unsere Desserts sind nicht klassisch, wir nennen sie progressiv. Wie kann ein Dessert sein, wenn man nur Desserts isst? Über sieben Gänge? Die Frage stellen wir uns. Wir haben kein Menü aus Nach- oder Süßspeisen, sondern … aus Desserts. Wir arbeiten zuckerreduziert und mit nicht raffiniertem Zucker, außerdem viel mit der eigenen Süße der Produkte.Woher kommen die Ideen für die Desserts? René Frank: Also, beim herzhaften Essen kennt mittlerweile jeder Poké, Sushi, die ganzen Food-Trends. Aber in der Pâtisserie, da kennt man Tiramisu, Crème brûlée – nur die klassischen Sachen. Es ist immer so: Irgendwo macht ein neues Restaurant auf, es serviert ausgefallene Speisen, aber im Dessert – immer nur Dinge, die jeder versteht. Die Desserts im Coda sind inspiriert von der Dessertküche aus der ganzen Welt. Im Iran gibt es eine Süßspeise mit Rindermark …… und auch bei euch auf der Karte, der Geschmack liegt mir noch auf der Zunge … René Frank: … so etwas greifen wir auf und interpretieren es auf unsere Art. Dazu ein paar Käse-Komponenten, Fermentiertes, damit auch das Thema umami dabei und man am Ende satt ist, denn auch das ist unser Anspruch als Restaurant.  Oliver Bischoff: Wir machen eine Küche, die man nicht mit irgend einem anderen Restaurant vergleichen kann. Was es auch so schwer macht, es in die richtigen Worte zu bringen. Eigentlich muss man es essen. Wir kochen mit süßen Komponenten, ja. Aber Dessert ist bei uns nicht als der letzte Gang zu verstehen. Es geht nicht um süß, es geht um Anspruch und Vielfalt. René Frank: Wie sieht ein klassisches Dessert aus? Viel Zucker aus der Industrie, weil die sagt: Das ist billig, das ist haltbar, das muss da rein. So hat sich das fortgeführt. Der handwerklich arbeitende Konditor oder Pâtissier macht es doch auch nur rein, weil es immer so gemacht wurde. Wir sagen: Man sollte das Dessert nicht auf den Zucker reduzieren. Wir arbeiten mit den Zubereitungstechniken der Pâtisserie, aber auch mit einem Holzkohlegrill. Für unseren gegrillten Apfel zum Beispiel, der inspiriert von den tschechischen gegrillten Baumstriezeln ist.Wie findet ihr die Dessertideen? René Frank: Ein Beispiel: Wir waren auf einem Kongress in der Türkei und haben in der Stadt zufällig ein Dessert mit Hühnerbrust gegessen. Ein Pudding aus Reis, Maismehl, Zucker, Milch und klein gebröselter Hühnerbrust. Die gibt dem Ganzen einen interessanten Geschmack, leicht würzig, ohne dass es gleich herzhaft wird. Es ist super spannend, eine Süßspeise so anzureichern. Ist seit Kurzem auf der Karte. Generell fragen wir uns: Was finden wir beim Dessert gut?Und das wäre?René Frank: Zum Beispiel, wenn was passiert. Unser Bergkäse fließt wie der klassische halbflüssige Schokoladenkuchen, das sieht immer lecker aus. Er ist angelehnt an den Schweizer Käseküchli und hat einen Geschmack wie ein Cheesecake – plus Sauerkraut, um es einzudeutschen.Wie habt ihr eigentlich zueinander gefunden? René, du warst ja zuvor Pâtissier im mittlerweile geschlossenen la vie in Osnabrück und Oliver, du betreibst ja weiterhin das Gestaltungsbüro für systemgastronomische Konzepte ett la benn. René Frank: Olivers Geschäftspartner Danilo und mein bester Freund Christian haben sich bei einem Start-up-Seminar in Berlin getroffen. Mit Christian habe ich auch im la vie gearbeitet, wir hatten immer schon über ein Dessertkonzept gefachsimpelt. Für das Seminar gab es eine Freikarte, wenn man vorher ein Gastrokonzept eingeschickt hatte. Wir haben schnell was zusammen geschrieben, Christian hat das vorgetragen. Danilo hat ihn danach angesprochen: Mein Partner will auch so ein Dessertkonzept machen. Dann habe ich Oliver kontaktiert. Oliver Bischoff: Es war ein totaler Zufall und irgendwie auch total konsequent. Wir haben zur gleichen Zeit die gleiche Idee gehabt. René ist genau im richtigen Moment aus dem la vie gegangen, das war damals auf seinem Höhepunkt. Ich wollte was Operatives machen und nicht immer nur Konzepte für Dritte. Und es macht ja auch total viel Spaß! Die Komplexität und der Anspruch, ein ganz spezielles Gastronomie so auf die Spitze zu treiben, dass man irgendwann auch die Anerkennung dafür bekommt (u.a. in Form des ersten Michelinsterns im Februar 2019, Anm. d. Red.).Wie viele Leute seid ihr zurzeit?Oliver Bischoff: Fünf. Drei Mitarbeiter in der Küche plus wir zwei. Was es besonders und interessant macht: Alle sind hier Köche – außer mir – und es gibt keinen Service, beziehungsweise die Küche macht den Service. René Frank: Auch die Bar wird von der Küche gemacht. Oliver Bischoff: Mittelfristig werden wir wohl noch eine Person dazu nehmen. Und wir haben regelmäßig Praktikanten.Ist das Arbeiten anders als in anderen Restaurants, die sieben Gänge schicken? René Frank: Du musst länger überlegen, ob Sachen zueinander passen. Wir sind ständig am Überlegen: Wie können wir die Karte verändern? Hätten wir dokumentiert, was wir seit Beginn alles verändert haben … das ist extrem! Klar, jedes Restaurant hat eine Entwicklung, aber die Darreichungsform hier ist unglaublich zeitintensiv. Das hätte man mit einem normaleren Konzept einfacher.Wobei, vermute ich, der Wareneinsatz etwas niedriger ist.   René Frank: Sicherlich ein bisschen. Aber: Du kannst anderswo ein Stück Steak mit ein paar Blättchen Salat hinstellen und es zählt als Gang. Wir haben zehn Rezepte in einem Gang, wir müssen alles durcharbeiten, einzeln probieren – aufwändig! Der Prozess ist anders, diese Art von Speisen erlaubt uns aber auch, an einem x-beliebigen Tag wie dem Mittwoch – das ist unser Kreativtag, an dem wir tüfteln – geschlossen zu haben. Wir haben Sonntag und Montag zu, Dienstag auf, Mittwoch wieder zu, ab Donnerstag wieder auf. Das geht, weil viel eingeweckt und eingefroren wird. Wir müssen nicht die Schublade aufmachen und alles wegschmeißen. Oliver Bischoff: Wir machen nicht alles von null, aber mehr von null als 99 Prozent der Restaurants – auch die der gehobenen Gastronomie. Wir kaufen keine Schokolade ein, sondern machen die selbst – wer tut denn das schon? Auch die alkoholfreien Getränke wie Kombucha und Ginger Beer haben wir von Anfang an selbst hergestellt.Und wie ist das mit den Prozessen in der Küche? René Frank: Abends brauchen wir nicht so viele Leute in der Küche, weil nicht alles à la minute passiert. Es wird vorher genau abgemessen und portioniert, die Abläufe sind immer gleich. Beim herzhaften Kochen, beim Braten auf den Punkt, wäre das schwieriger, da muss man mehr überwachen. Hier ist vor allem wichtig, dass das System gut funktioniert: Vorbereitung, Lagerung, Regenerieren.Welche Tipps habt ihr für Gastronomen, die Desserts neu denken wollen?Oliver Bischoff: Wir wünschen uns allgemein mal einen Nachahmer, der anders damit umgeht. Diese Welt ist noch völlig offen. Und sonst: Lieber gar kein Dessert als irgendeins. René Frank: Es geht immer mit einer einfachen Vorspeise los, wird im Hauptgang pompös, und beim Dessert werden dann wieder TK-Früchte verarbeitet und das Tetrapak-Ei. Auch in einem Drei-Sterne-Restaurant gibt es vorher den bretonischen Steinbutt und am Ende eine lausige Schokolade im Dessert, industriell und aromatisiert. Macarons? Super gefärbt. Warum? Weil Himbeere drin ist? Man färbt den Blattspinat doch auch nicht grün nach! Die Farbstoffe, Aromen und Stabilisatoren, die in der Pâtisserie verwendet werden – alles weglassen. Und lieber nur ein oder zwei statt vier Desserts machen. Die aber richtig gut und zum gleichen Preis wie die anderen Speisen anbieten – der Gast wird es zu 100 Prozent wertschätzen.www.coda-berlin.com

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