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gastrotel weekly | 07.07.2020

„Den richtigen Nerv treffen“

Fotostrecke Nils Henkel Koch Papa Rhein Hotel Nils Henkel / Foto: Papa Rhein Hotel / Bollands Hotels

Nils Henkels neue Arbeitsstätte in Bingen nennt sich Bootshaus und ist ein Vintage-Restaurant mit Holzboden, Altholzmöbeln, hellen Leinenstoffen und Lederstühlen im Shabby-Look. Das Haus verspricht einen Blick über die Rheinauen und eine regionale, authentische und gesunde Küche. Interview: Peter Erik Hillenbach

 

Herr Henkel, zu Fuß bräuchten Sie für die acht Kilometer von Ihrer alten Arbeitsstätte zu Ihrer neuen keine zwei Stunden. Da haben Sie nach Ihrer überraschenden Kündigung auf Burg Schwarzenstein Glück gehabt, in der gleichen schönen Gegend bleiben zu können – und gemeinsam mit „Papa Rhein“-Hotelier Jan Bolland einen echten Coup gelandet. Was genau tun Sie gerade, um Ihr neues Restaurantkonzept aufzubauen?

Da wäre ich dann aber sehr langsam unterwegs, soviel Zeit habe ich gerade nicht und außerdem laufe ich gern schneller. Im Moment sind viele Vorbereitungen zu treffen. Die Küche und das Restaurant müssen eingerichtet werden, alles muss durchdacht sein und den richtigen Platz haben. Es gibt noch ein paar Feinjustierungen an der Karte, die entsprechenden Produkte müssen vorbestellt werden. Und sobald wir in der Küche starten können, beginnen wir mit den Vorbereitungen für die neue Karte.

 

„Lässig ohne Stern“ scheint die neue Sehnsucht einiger Spitzenköche zu sein – manche gaben gar ihr Sternerestaurant auf und eröffneten stattdessen ein Bistro. Was zeichnet das Format „Bistro“ aus, was macht es so anziehend und zeitgemäß?

Ich weiß nicht, ob Bistro wirklich der richtige Begriff für unser Bootshaus ist. Wir wollen ein legeres Restaurantkonzept, das für viele Gäste verschiedener Altersgruppen attraktiv ist. Und wir möchten in Sachen Qualität und Zeitgeist genau den richtigen Nerv treffen.

 

Bietet eine Bistroküche bessere Ansätze zur Wertschöpfung in Zeiten „mit Corona“ als eine hochspezialisierte Sterneküche?

Die Coronazeiten sind für die gesamte Branche eine Katastrophe. Und wir alle wissen wie schwer es heutzutage geworden ist, mit Sterneküche Geld zu verdienen. Der Begriff Sterneküche ist für viele Gäste eher abschreckend als anziehend, viele Menschen verbinden das immer noch mit Steifheit und Zwang. Wir wollen mit dem Bootshaus eine größere Akzeptanz erreichen und damit natürlich auch eine solide wirtschaftliche Basis schaffen.

 

Für Ihre „Flora“- und „Fauna“-Menüs sind Sie gelobt und hoch dekoriert worden. Werden wir die dahinterstehende Philosophie oder einzelne Elemente daraus auch in Ihrer mediterranen Bistroküche erleben?

Die Fauna- und Flora-Menüs sind natürlich die Basis meiner Küche. Aber die darin enthaltenen Gerichte sind zum Teil auch sehr aufwändig. Ich möchte gern die DNA meiner Gerichte erhalten, sie aber etwas einfacher arrangieren und meine Küche auf diese Weise für mehr Gäste zugänglich machen.

 

Sehr gelobt wurde auch Ihre alkoholfreie Menübegleitung. Bleibt uns Ihre Kompetenz in Sachen hausgemachte Tees, Säfte, Kräuteressenzen erhalten?

Ich denke, dass alkoholfreie Alternativen eine immer größere Rolle spielen werden. Ich habe gesehen, dass die Nachfrage in den letzten Jahren stetig gewachsen ist und glaube, dass wir einen guten Mix aus hausgemachten Produkten und Erzeugnissen aus ausgesuchten Manufakturen anbieten werden. Alles selbst herzustellen ist bei der Anzahl der Plätze utopisch.

 

Fun Fact: Ist Ihnen bewusst, dass Sie auf dem Weg nach Bingen knapp eine Ländergrenze überschritten haben? Wird das Auswirkungen auf Ihre verwendeten regionalen Produkte und Gerichte haben?

Ja natürlich, die Rheinseite zu wechseln heißt auch von Hessen nach Rheinland-Pfalz zu wechseln. Ich sehe Regionalität ja nicht dogmatisch auf einen kleinen Radius ums Restaurant herum beschränkt, sondern durchaus etwas weitläufiger.

 

Im Ernst, werden wir verstärkt die Weine Pfälzer Jungwinzer auf der Karte entdecken? Oder gar eine Saumagen-Variation à la Henkel?

Was die Weinauswahl betrifft, liegt der Fokus schon auf den umliegenden Anbaugebieten Rheinhessen, Rheingau, Nahe und Mittelrhein. Aber auch hier werden wir kein Dogma daraus machen, sondern Wert auf gute Kombinationen zum Essen legen. Den Saumagen überlasse ich aber meinem lieben Kollegen Stefan Neugebauer im Schwarzen Hahn zu Deidesheim.

 

Was bedeutet Regionalität überhaupt für Sie? Ist das ein Selbstzweck oder ein Dogma?

Regionalität ist für mich ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit, aber sicherlich kein Dogma. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele kleine tolle Produzenten und Manufakturen in Deutschland dazugewonnen. Das kann man auch sehr gut an der Entwicklung des JRE Genussnetzes sehen. Die Betriebe sind aber über ganz Deutschland verteilt, also nicht immer so wirklich regional. Früher waren viele Produkte aus Deutschland überhaupt nicht zu bekommen, vieles kam aus Frankreich. Meine persönliche Regionalität ist ein guter Mix aus deutschen und regionalen Produkten, die ich gern auch mit Aromen aus aller Welt verknüpfe.

 

Könnten Sie noch einige Worte mehr über das JRE-Genussnetz sagen?

Das JRE Genussnetz ist ein schönes Beispiel dafür, dass so ein Netzwerk auch über die Regionen hinaus funktionieren kann. Es ist toll, wenn man seine Produkte aus dem näheren Umkreis bekommt, so ist ja auch das Genussnetz einmal entstanden. Aber durch die Vernetzung bestellen auch die entfernteren JRE-Kollegen. Die Produzenten und Manufakturen haben die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln, zu wachsen und mit gemeinsamen Projekten neue Ideen voranzutreiben.

 

Letzte Frage: Welche Chancen geben Sie der inhabergeführten Gastronomie nach und mit Corona – und würden Sie je selbstständig ein eigenes Restaurant eröffnen?

Ich denke, die inhabergeführten Betriebe sind die, die in der Krise flexibel an ihren Konzepten gefeilt und sich auf geänderte Bedingungen eingestellt haben. Ich bin sicher, dass die meisten gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Auch wenn es für viele schwer war. Für mich hat sich das Thema Selbstständigkeit bisher nicht ergeben, es war für mich auch nie eine drängende Notwendigkeit. Es hat sicher seinen Reiz, aber man muss eben auch der Typ dafür sein.

 


ZUR PERSON

Nils Henkel, 50, gebürtig aus Kiel, wurde nach seinen Lehr- und Wanderjahren ab 1997 unter und neben Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach (Bergisch Gladbach) zum Spitzenkoch. Von 2008 bis zur Schließung 2014 leitete er das dortige berühmte Gourmetrestaurant.

Henkel steht für eine jahreszeitlich und regional geprägte neue deutsche Küche, die er „Pure Nature Küche“ nennt. Fisch und Fleisch sind bei manchen Gerichten nur eine sinnvolle Begleitung, jedenfalls nicht die Hauptdarsteller – diese Rolle ist häufig alten Gemüsesorten und wilden Kräutern aus der Region vorbehalten.

Von 2017 bis März 2020 wirkte Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein in Geisenheim/Rheingau und wurde für seine Fauna- und Flora-Menüs mit der Gusto-Höchstbewertung von zehn Pfannen „plus“, zwei Michelinsternen und 18 Punkten im Gault&Millau ausgezeichnet. Im März wurde ihm und seinem Team im Zuge der Coronakrise gekündigt; die Betreiber der Burg wollten sich vom Fine-Dining-Konzept verabschieden, hieß es.

Nils Henkel wurde von verschiedenen Medien und in unterschiedlichen Jahren zum „Koch des Jahres“ ausgerufen. Seit 2006 ist er Mitglied bei den Jeunes Restaurateurs. Ab Herbst 2020 übernimmt er die Leitung im Restaurant Bootshaus im neuen Papa Rhein Hotel & Spa in Bingen (Hotelier: Jan Bolland).

www.paparheinhotel.de

www.nilshenkel.com

www.jre.eu    

www.jre-genussnetz.de


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gastrotel weekly „Den richtigen Nerv treffen“ Nils Henkels neue Arbeitsstätte in Bingen nennt sich Bootshaus und ist ein Vintage-Restaurant mit Holzboden, Altholzmöbeln, hellen Leinenstoffen und Lederstühlen im Shabby-Look. Das Haus verspricht einen Blick über die Rheinauen und eine regionale, authentische und gesunde Küche. Interview: Peter Erik HillenbachHerr Henkel, zu Fuß bräuchten Sie für die acht Kilometer von Ihrer alten Arbeitsstätte zu Ihrer neuen keine zwei Stunden. Da haben Sie nach Ihrer überraschenden Kündigung auf Burg Schwarzenstein Glück gehabt, in der gleichen schönen Gegend bleiben zu können – und gemeinsam mit „Papa Rhein“-Hotelier Jan Bolland einen echten Coup gelandet. Was genau tun Sie gerade, um Ihr neues Restaurantkonzept aufzubauen?Da wäre ich dann aber sehr langsam unterwegs, soviel Zeit habe ich gerade nicht und außerdem laufe ich gern schneller. Im Moment sind viele Vorbereitungen zu treffen. Die Küche und das Restaurant müssen eingerichtet werden, alles muss durchdacht sein und den richtigen Platz haben. Es gibt noch ein paar Feinjustierungen an der Karte, die entsprechenden Produkte müssen vorbestellt werden. Und sobald wir in der Küche starten können, beginnen wir mit den Vorbereitungen für die neue Karte.„Lässig ohne Stern“ scheint die neue Sehnsucht einiger Spitzenköche zu sein – manche gaben gar ihr Sternerestaurant auf und eröffneten stattdessen ein Bistro. Was zeichnet das Format „Bistro“ aus, was macht es so anziehend und zeitgemäß?Ich weiß nicht, ob Bistro wirklich der richtige Begriff für unser Bootshaus ist. Wir wollen ein legeres Restaurantkonzept, das für viele Gäste verschiedener Altersgruppen attraktiv ist. Und wir möchten in Sachen Qualität und Zeitgeist genau den richtigen Nerv treffen.Bietet eine Bistroküche bessere Ansätze zur Wertschöpfung in Zeiten „mit Corona“ als eine hochspezialisierte Sterneküche?Die Coronazeiten sind für die gesamte Branche eine Katastrophe. Und wir alle wissen wie schwer es heutzutage geworden ist, mit Sterneküche Geld zu verdienen. Der Begriff Sterneküche ist für viele Gäste eher abschreckend als anziehend, viele Menschen verbinden das immer noch mit Steifheit und Zwang. Wir wollen mit dem Bootshaus eine größere Akzeptanz erreichen und damit natürlich auch eine solide wirtschaftliche Basis schaffen.Für Ihre „Flora“- und „Fauna“-Menüs sind Sie gelobt und hoch dekoriert worden. Werden wir die dahinterstehende Philosophie oder einzelne Elemente daraus auch in Ihrer mediterranen Bistroküche erleben?Die Fauna- und Flora-Menüs sind natürlich die Basis meiner Küche. Aber die darin enthaltenen Gerichte sind zum Teil auch sehr aufwändig. Ich möchte gern die DNA meiner Gerichte erhalten, sie aber etwas einfacher arrangieren und meine Küche auf diese Weise für mehr Gäste zugänglich machen.Sehr gelobt wurde auch Ihre alkoholfreie Menübegleitung. Bleibt uns Ihre Kompetenz in Sachen hausgemachte Tees, Säfte, Kräuteressenzen erhalten?Ich denke, dass alkoholfreie Alternativen eine immer größere Rolle spielen werden. Ich habe gesehen, dass die Nachfrage in den letzten Jahren stetig gewachsen ist und glaube, dass wir einen guten Mix aus hausgemachten Produkten und Erzeugnissen aus ausgesuchten Manufakturen anbieten werden. Alles selbst herzustellen ist bei der Anzahl der Plätze utopisch.Fun Fact: Ist Ihnen bewusst, dass Sie auf dem Weg nach Bingen knapp eine Ländergrenze überschritten haben? Wird das Auswirkungen auf Ihre verwendeten regionalen Produkte und Gerichte haben?Ja natürlich, die Rheinseite zu wechseln heißt auch von Hessen nach Rheinland-Pfalz zu wechseln. Ich sehe Regionalität ja nicht dogmatisch auf einen kleinen Radius ums Restaurant herum beschränkt, sondern durchaus etwas weitläufiger.Im Ernst, werden wir verstärkt die Weine Pfälzer Jungwinzer auf der Karte entdecken? Oder gar eine Saumagen-Variation à la Henkel?Was die Weinauswahl betrifft, liegt der Fokus schon auf den umliegenden Anbaugebieten Rheinhessen, Rheingau, Nahe und Mittelrhein. Aber auch hier werden wir kein Dogma daraus machen, sondern Wert auf gute Kombinationen zum Essen legen. Den Saumagen überlasse ich aber meinem lieben Kollegen Stefan Neugebauer im Schwarzen Hahn zu Deidesheim.Was bedeutet Regionalität überhaupt für Sie? Ist das ein Selbstzweck oder ein Dogma?Regionalität ist für mich ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit, aber sicherlich kein Dogma. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele kleine tolle Produzenten und Manufakturen in Deutschland dazugewonnen. Das kann man auch sehr gut an der Entwicklung des JRE Genussnetzes sehen. Die Betriebe sind aber über ganz Deutschland verteilt, also nicht immer so wirklich regional. Früher waren viele Produkte aus Deutschland überhaupt nicht zu bekommen, vieles kam aus Frankreich. Meine persönliche Regionalität ist ein guter Mix aus deutschen und regionalen Produkten, die ich gern auch mit Aromen aus aller Welt verknüpfe.Könnten Sie noch einige Worte mehr über das JRE-Genussnetz sagen?Das JRE Genussnetz ist ein schönes Beispiel dafür, dass so ein Netzwerk auch über die Regionen hinaus funktionieren kann. Es ist toll, wenn man seine Produkte aus dem näheren Umkreis bekommt, so ist ja auch das Genussnetz einmal entstanden. Aber durch die Vernetzung bestellen auch die entfernteren JRE-Kollegen. Die Produzenten und Manufakturen haben die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln, zu wachsen und mit gemeinsamen Projekten neue Ideen voranzutreiben.Letzte Frage: Welche Chancen geben Sie der inhabergeführten Gastronomie nach und mit Corona – und würden Sie je selbstständig ein eigenes Restaurant eröffnen?Ich denke, die inhabergeführten Betriebe sind die, die in der Krise flexibel an ihren Konzepten gefeilt und sich auf geänderte Bedingungen eingestellt haben. Ich bin sicher, dass die meisten gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Auch wenn es für viele schwer war. Für mich hat sich das Thema Selbstständigkeit bisher nicht ergeben, es war für mich auch nie eine drängende Notwendigkeit. Es hat sicher seinen Reiz, aber man muss eben auch der Typ dafür sein.ZUR PERSONNils Henkel, 50, gebürtig aus Kiel, wurde nach seinen Lehr- und Wanderjahren ab 1997 unter und neben Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach (Bergisch Gladbach) zum Spitzenkoch. Von 2008 bis zur Schließung 2014 leitete er das dortige berühmte Gourmetrestaurant.Henkel steht für eine jahreszeitlich und regional geprägte neue deutsche Küche, die er „Pure Nature Küche“ nennt. Fisch und Fleisch sind bei manchen Gerichten nur eine sinnvolle Begleitung, jedenfalls nicht die Hauptdarsteller – diese Rolle ist häufig alten Gemüsesorten und wilden Kräutern aus der Region vorbehalten.Von 2017 bis März 2020 wirkte Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein in Geisenheim/Rheingau und wurde für seine Fauna- und Flora-Menüs mit der Gusto-Höchstbewertung von zehn Pfannen „plus“, zwei Michelinsternen und 18 Punkten im Gault&Millau ausgezeichnet. Im März wurde ihm und seinem Team im Zuge der Coronakrise gekündigt; die Betreiber der Burg wollten sich vom Fine-Dining-Konzept verabschieden, hieß es.Nils Henkel wurde von verschiedenen Medien und in unterschiedlichen Jahren zum „Koch des Jahres“ ausgerufen. Seit 2006 ist er Mitglied bei den Jeunes Restaurateurs. Ab Herbst 2020 übernimmt er die Leitung im Restaurant Bootshaus im neuen Papa Rhein Hotel & Spa in Bingen (Hotelier: Jan Bolland).www.paparheinhotel.dewww.nilshenkel.comwww.jre.eu    www.jre-genussnetz.de

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